Wir werden sie in den Boden stampfen. Wir werden sie ins Meer werfen", brüstete sich Gamal Abdel Nasser. "Wir werden Israel auslöschen." Dem ägyptischen Diktator war es ernst. Im Mai 1967 ließ er seine Armee auf dem Sinai aufmarschieren und blockierte die Meeresstraße von Tiran. Gleichzeitig verlegten Syrien und Jordanien Truppen an die Grenzen zu Israel. Freiwillige Kämpfer aus Irak, Algerien und Kuwait verstärkten die arabischen Heere. In dieser Situation begann die israelische Armee am 5. Juni 1967 einen Präventiv-Krieg. Binnen sechs Tagen besiegte sie nacheinander Ägypten, Jordanien und Syrien und eroberte den Sinai, den Gaza-Streifen, das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen.
Die Welt jubelte. Der brillante Sieg des tapferen kleinen Israel über die blutrünstige arabische Übermacht begeisterte die Europäer. In niederländischen Kirchen wurde für Israel gebetet, in Polen gab es spontane Sympathie-Kundgebungen. Am radikalsten und am dauerhaftesten aber änderte sich die Haltung der USA. In den ersten Jahren nach der Staatsgründung hatte Washington Abstand zu Israel gehalten, in der Suezkanal-Krise 1956 Israel zum Rückzug gezwungen. Und trotz der sowjetischen Militärhilfe für Ägypten und Syrien erhielt Israel keine amerikanischen Waffen. Stattdessen kam die Ausrüstung aus Frankreich und heimlich auch aus Deutschland. Frankreich half sogar beim Bau der israelischen Atombombe.
"Amerika ist neutral in Gedanken, Worten und Taten", erklärte Sicherheitsberater McGeorge Bundy vor Beginn des Sechs-Tage-Kriegs. Nach dem israelischen Durchmarsch galt davon nichts mehr. Die amerikanische Öffentlichkeit begeisterte sich über den Sieg Davids über Goliath, und auch die US-Regierung frohlockte, dass Moskaus Verbündeten ein so schwerer Schlag zugefügt worden war. Fast über Nacht wurde Israel zum wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten, der nun auch mit Waffen beliefert werden durfte. Von besonderer Bedeutung waren die Auswirkungen auf die jüdische Minderheit. Bis in die 60er Jahre war das US-Establishment von weißen Protestanten angelsächsischer Herkunft geprägt gewesen. Juden hatten keinen Zutritt zu manchen Clubs, und an den guten Universitäten gab es für sie Höchstquoten. Noam Chomsky hat die antisemitische Stimmung in Harvard beschrieben, wo er in den 50er Jahren studierte. 1967 sei ein Wendepunkt gewesen, schreibt er. "Wenn der Respekt für Israel zunimmt, verringert sich tendenziell der Antisemitismus."
Zugleich identifizierten sich die amerikanischen Juden stärker mit Israel. Der arabische Aufmarsch hatte der Diaspora vor Augen geführt, wie bedroht der Judenstaat war. Allein in den USA meldeten sich zehntausend junge Juden als Kriegsfreiwillige. Israels Überraschungssieg hob dann auch das eigene Selbstbewusstsein. Nach dem Trauma des Holocausts war es den Juden nun endgültig gelungen, sich aus der Opferrolle zu befreien.
Bis heute treten die meisten jüdischen Verbände für unbedingte Solidarität mit Israel ein. Sehr erfolgreich setzen sie sich zudem dafür ein, die Außenpolitik der USA in diesem Sinne zu beeinflussen. Nach einer Umfrage unter US-Abgeordneten gilt AIPAC, die amerikanisch-israelische Lobby, als einer der einflussreichsten Interessenverbände in Washington. AIPAC verfügt inzwischen über wichtige Bündnispartner: die christlichen Fundamental isten, die glauben, dass Gott Israel den Juden gegeben hat, und die Neokonservativen, die Israel als Vorposten der Demokratisierung im Nahen Osten sehen.
All das hat trägt dazu bei, dass die US-Regierung Israel seit 40 Jahren finanziell und diplomatisch nahezu bedingungslos unterstützt. Nicht einmal gegen die Siedlungspolitik der Israelis schreitet Washington energisch ein - vielleicht auch deswegen, weil sich unter den Siedler viele Auswanderer aus den USA befinden.
Die Vertreibung von Hunderttausenden von Palästinensern, die israelische Besatzungspolitik und der Siedlungsbau gehören zum unseligen Erbe des Sechs-Tage-Kriegs. Mit seinem Sieg gegen die arabische Welt sicherte Israel damals auf beeindruckende Weise sein Überleben, aber es schuf sich auch viele der Probleme, die seine Sicherheit bis heute gefährden. Es sind Probleme, die sich nur mit Hilfe der Supermacht USA werden lösen lassen - aber auch nur dann, wenn die USA auch die Interessen der Palästinenser berücksichtigen. Sonst wird es keinen Frieden im Nahen Osten geben. Unbedingte Solidarität ist nicht immer ein Freundschaftsdienst.
von Bettina VestringBerliner Zeitung, 05.06.2007
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