Die Lage in Nahost gibt keinen Anlass zu irgendwelchen Hoffnungen -
und das hemmt früher oder später die Motivation, sich dazu zu äußern. Eine Erklärung.
von Claudio Casula
Da sind einmal die nackten Fakten: Weltweit sind aktuell 45,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Laut Unicef-Report gehen 132 Millionen Kinder nicht zur Schule. Mindestens 800 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem
Trinkwasser. Und so weiter und so fort. Was die Palästinenser angeht, um
die sich ein Großteil der von der internationalen Gemeinschaft
bekundeten „Besorgnis“ dreht, so sind sie von keinem dieser Probleme
betroffen. Weder teilen sie, denen pro Kopf ein Mehrfaches der
Marshallplan-Hilfe zuteil wurde, die existenziellen Probleme echter
Flüchtlinge, noch mangelt es ihnen an Wasser, Nahrung oder Zugang zu
Bildungseinrichtungen.
Dennoch erfreuen sie sich einer Aufmerksamkeit,
die in keinem Verhältnis zu ihrer – in nicht unerheblichem Maße selbst
verschuldeten – Lage steht. Das gilt allerdings nicht für die definitiv
von ihnen geschaffenen Verhältnisse, etwa den Umgang mit missliebigen Journalisten
oder den mit „Kollaborateuren“, gilt auch nicht für die jeden Ausgleich
torpedierende unselige Politik der vermeintlich gemäßigten Fatah, und
dass die seit 2005 im Gazastreifenden herrschende Hamas „Summer Camps“
unterhält, in denen Hunderttausende Jungs paramilitärisch gedrillt
werden, um sicherzustellen, dass auch die nächste Generation den Krieg
gegen die Juden weiterführt, merkt (oder berichtet, en passant) Spiegel online erst im Juni 2013.
„Hüpfburg, Tanzkurs, Stacheldraht“
heißt der Artikel, wobei für Hüpfburg und Tanzkurs die UNO zuständig
ist und Hamas sowie Islamischer Jihad für den Stacheldraht (und die
Waffen). Erstere sind für die Mädchen gedacht, letztere für das
potenzielle Kanonenfutter der radikalen Islamisten. Irgendeinen Einfluss
auf den Umgang mit dem palästinensischen Nationalislamismus hat dessen
Gebaren allerdings nicht. Nichts deutet darauf hin, dass die Zahlungen von Millionen bzw. Milliarden Dollar und Euro an die
beiden Regierungen in Gaza und Ramallah eingestellt oder auch nur als
Druckmittel eingesetzt werden könnten. Die EU bringt es nicht einmal
über sich, die radikale Hisbollah-Miliz im Libanon als Terrororganisation zu listen. Von der westlichen Welt ist also wenig bis gar nichts zu erwarten, vom Rest wollen wir an dieser Stelle schweigen.
Wie sieht es im Brennpunkt des Geschehens aus? Die Palästinenser
haben die vergangenen zwei Jahrzehnte seit den Osloser Abkommen nicht
genutzt, um brauchbare staatliche Strukturen aufzubauen. Wirtschaftlich
hängen sie nach wie vor am Tropf Amerikas und Europas, die Gesellschaft wurde islamisiert
und politisch radikalisiert, und irgendwelche Anstrengungen seitens der
Machthaber, die Menschen von der Notwendigkeit einer Zweistaatenlösung
zu überzeugen und damit auch auf den Verzicht auf Maximalforderungen
vorzubereiten, sind beim besten Willen nicht zu erkennen.
Im Gegenteil darf man getrost davon ausgehen, dass die Einsicht, sich
nach der Decke strecken zu müssen, unter den gewöhnlichen Palästinensern
allgemein weiter verbreitet ist als in der korrupten Fatah-Kaste, die
ein brennendes Interesse an der Aufrechterhaltung des Ist-Zustands hat.
Von bürgerlichen Rechten, von demokratischen Strukturen zwischen Jenin
und Hebron kann auch keine Rede sein. Und da der sich selbst opfernde
Terrorist weiterhin als role model dient, während Landsleute,
die den sinnlosen Kampf gegen Israel gern beenden würden, als
„Kollaborateure“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen und nicht selten gelyncht werden, muss man wohl jede Hoffnung auf Frieden auch für die nächsten Generationen fahren lassen.
Machen wir uns nichts vor: So lange die einzigen Länder, die etwas
bewirken könnten, die PA weiter hofieren statt sie in den Schwitzkasten
zu nehmen, bis sie „Uncle!“ ruft, wird diese so weiter machen wie
bisher. Frieden bleibt eine gut gemeinte Illusion, und das gilt auch für
die übrige arabische Welt. Selbst wenn die sogenannte
Friedensinitiative der Arabischen Liga ernst gemeint und für Israel
akzeptabel wäre, würden sich die selbst ernannten Gotteskrieger der
Hamas, der Hisbollah und des Islamischen Jihad ohnehin nicht an
irgendwelche Abkommen gebunden fühlen, ebenso wenig wie das
Mullah-Regime in Teheran.
Schon die mit der „moderaten“ Fatah
geschlossenen Verträge waren ja – spätestens die „Al-Aqsa-Intifada“
lieferte den Beweis – das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt waren.
Und wie schnell im guten Glauben auf einen vermeintlichen Frieden
abgetretene Gebiete zum Aufmarschgebiet für Terroristen und zu
Raketenabschussrampen umfunktioniert werden können, haben wir im
Südlibanon, im Gazastreifen und in der Westbank gesehen. Im Sinai auch
schon, und was heute auf dem Golan los wäre, wenn Rabin die Höhenzüge
Assad dem Älteren in den Schlund geworfen hätte, lässt sich lebhaft
vorstellen.
Israel hingegen wird weiter wehrhaft bleiben müssen und diese
Einsicht, so schwer sie auch fällt, hat das Land wohl auch
verinnerlicht. Denn die Welt wird grundsätzlich feindselig bleiben, wird
wie gehabt jede Aktion des jüdischen Staates mit dem Vergrößerungsglas
betrachten und die fortgesetzte Aggression gegen ihn entweder ignorieren
oder als gerechtfertigt durchgehen lassen.
Die Feinde Israels schrecken
ohnehin vor keiner Verleumdung, keinem unsäglichen Vergleich, keiner
Boshaftigkeit zurück, und selbst die jüngste Glanzleistung der Süddeutschen Zeitung,
die arabische Welt – mit ihrer offenkundigen Rückständigkeit, ihren
Gewaltherrschern, der Unterdrückung von Minderheiten, all den zum Himmel
schreienden Grausam- und Ungerechtigkeiten – vorzuschieben und
ausgerechnet auf das freie und demokratische Israel als „Moloch“ blicken
(und das durch den Kontext auch als durchaus verständlich erscheinen)
zu lassen, wird hier und da getoppt werden, immer wieder. Israel jedoch wird wachsam bleiben, und stark genug ist es auch, um sein Überleben in einer antagonistischen Welt sicherzustellen.
Und deshalb wird alles mehr oder weniger so bleiben, wie es ist.
Nicht, dass sich damit nicht leben ließe – die vitale,
innovationsfreudige, lebensfrohe und lustvoll streitende israelische
Gesellschaft beweist es jeden Tag; allein, der Missmut über die
Verhältnisse bleibt.
Ach, wenn doch die Regierungen dieser Welt
vernünftiger wären! Wenn doch die Medienschaffenden ihren Job ernst
nähmen! Wenn die Palästinenser den Ägyptern nacheiferten und ihre
„Befreiungsbewegungen“, die doch nur ihre Unfreiheit dauerhaft
zementieren, zum Teufel jagten! Wenn sich endlich etwas bewegte – dann
erwachte auch die Lust, sich wieder häufiger der Thematik anzunehmen.
Zurzeit sieht es nicht nach einem dieser größeren Wunder aus.
SPIRIT OF ENTEBBE
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