31.5.14

Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen

Dieses Ereignis, das zeigt, dass das Gebet von Christen oftmals größere Wirkung hat, als Widerstand und Kampf gegen die unerwünschten Umstände, was ohnehin nur ein Feindbild aufbaut und zermürbt, wird hier von Johnny Shahwan dargestellt.
Johnny Shahwan ist der Leiter eines christlichen Begegnungszentrum mit Kindergarten und Schulungszentrum in Beit Jala bei Bethlehem. Mit großem Garten, Kinderspielplatz, vielen Räumen mit Aktivitäten für Frauen und Jugendliche ist es ein wahrer Zufluchts- und Friedensort in der Region. Eine klare christliche Botschaft wird in vielfältiger Form vermittelt und gibt vielen Christen in der Stadt, aber auch muslimischen Menschen neue Sichtweisen.



Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen

Seit vielen Generationen ist meine Großfamilie im Besitz eines Grundstückes am Rande unserer Stadt, von dem auch mir ein Erbteil von etwa 400 Quadratmetern zusteht. Etwa im Jahr 1997 wollten zwei Geschwister meines Vaters ihren Anteil verkaufen, weil sie in finanziellen Schwierigkeiten waren. Wir hatten damals zwar kein Geld, doch ich wollte nicht, dass das Land in fremde Hände fällt. Unsere eigene Wohnsituation war damals nicht gut und ich wünschte mir so sehr, dass wir irgendwann einmal als Familie auf diesem Land bauen können. Durch Freunde bekamen wir einen zinslosen Kredit, kauften das Land und zahlten es über viele Jahre hinweg ab.

Einige Zeit später wurde die Sicherheitsmauer von der israelischen Regierung rund um die Provinz Bethlehem gebaut und auf unserer Seite der Stadt sollte die Mauer mitten durch mein Grundstück führen. In anderen Gebieten stand die Mauer bereits und ich hatte schon viele Geschichten von Leuten gehört,
die ihr Land dadurch verloren hatten. Doch als ich jetzt plötzlich selbst betroffen war, hat mich das unheimlich wütend gemacht. Oft wusste ich nicht, wie ich mit meiner Wut umgehen sollte. Immer wieder gab ich sie im Gebet an Gott ab, doch es dauerte Jahre, bis ich wirklich Frieden über die Situation hatte.
 

Obwohl der Mauerbau beschlossene Sache war, wurde auf dem Abschnitt, der durch mein Grundstück führt, erstmal nur ein Sicherheitszaun gezogen. Einige der betroffenen Familien klagten gegen den Bau und vor etwa drei Jahren begannen die Gerichtsverhandlungen. Sie forderten, dass die Mauer weiter in
Richtung Jerusalem versetzt werden sollte. In dieser Zeit fragte mich unser Bürgermeister einige Male, ob ich mich nicht beteiligen wollte. Doch ich lehnte jedesmal ab. Ich hatte die Sache Gott abgegeben und wollte mich nicht wieder damit beschäftigen und mich ärgern.


Vor etwa zwei Monaten gab es die letzte Gerichtsverhandlung wegen dieser Mauergeschichte. Es sollte entschieden werden, ob die Mauer an der geplanten Stelle, an der schon achtzig Prozent der Fundamente und der Infrastruktur vorbereitet war, gebaut werden sollte, oder ob sie versetzt wird. Wieder
rief mich unser Bürgermeister an und fragte, ob ich nicht mitkommen wollte, um für mein Grundstück zu kämpfen. Auch dieses Mal lehnte ich ab. Doch in der Nacht vor der Gerichtsverhandlung konnte ich nicht schlafen. Gott gab mir so viele Gedanken und ich dachte, vielleicht bekomme ich beim Obersten
Gerichtshof in Jerusalem ja die Möglichkeit, etwas zu sagen!? Ich wollte so gerne etwas von dem weitergeben, was Gott mir aufs Herz gelegt hat.


Ich entschied mitzufahren. Wir waren insgesamt etwa neunzig Leute aus unserer Stadt und aus einem Nachbardorf. Auf dem Weg zum Gericht betete ich immer wieder: „Gott, ich will diese Mauer hier nicht mehr sehen. Das ist eine Mauer, die Men-schen trennt und das ist nicht gut. Du hast vor vielen Jahren das Wunder getan, dass die Mauer in Deutschland gefallen ist. Ich möchte solch ein Wunder auch hier bei uns erleben!“
 

Als wir vor dem Gerichtshof ankamen und noch warten mussten, setzte ich mich zu dem Bürgermeister, der mit einigen Männern über den bevorstehenden Prozess sprach. Als man mich um meine Meinung bat, sagte ich, dass ich nicht will, dass die Mauer versetzt wird. Verständnislos schauten die Männer mich
an. „Wenn die Mauer versetzt wird, schadet sie anderen Leuten! Ich fordere, dass der Bau der Mauer ganz gestoppt wird!“ Mit dieser Aussage erntete ich nur Gelächter. „Träum weiter!“, sagten einige. „Du kannst die Mauer nicht stoppen, der Staat Israel hat schon 800 Millionen Schekel für den Bau
ausgegeben. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Mauer nicht weitergebaut wird?“


Während wir weiter auf unseren Termin warteten, schaute ich mich ein bisschen in den Räumlichkeiten um. Ich entdeckte einen Informationstisch und begann, einen der ausgelegten Flyer über das Gerichtsgebäude zu lesen. In den Ausführungen des Architekten wurden immer wieder alttestamentliche
Bibelverse zitiert. Gleich im ersten Abschnitt stand ein Vers aus dem 23. Psalm, in dem es heißt: „Du führst mich auf rechter Straße um deines Namens willen (oder auch auf der Straße der Gerechtigkeit)“ Nachfolgend wurde auf den Begriff Zedakah (Gerechtigkeit) eingegangen. Ich hielt einen Moment inne
und sprach mit meinem Vater im Himmel: „Ja, Gott. Du bist ein gerechter Gott und ich möchte, dass Deine Gerechtigkeit heute hier in diesem Prozess sichtbar wird!“
 

Zu Beginn der Verhandlung bat unser Anwalt darum, dass der Bürgermeister und ich als Pastor etwas sagen dürfen. Doch das wurde leider abgelehnt. „Siehste“, meinte der Bürgermeister, der neben mir saß. „Das hab ich mir gedacht, dass sie uns nicht anhören werden!“ „Kein Problem“, entgegnete ich ihm. „Wenn der Richter uns nicht zu Wort kommen lässt, dann rede ich eben mit seinem obersten Chef!“ Fünf lange Stunden dauerte die Gerichtsverhandlung und die ganze Zeit über war ich nur am Beten. Und
während ich mit Gott redete, breitete sich sein Frieden mehr und mehr in meinem Herzen aus. Ich spürte auf einmal, dass alles gut werden wird.


Wir fuhren wieder nach Hause und warteten jeden Tag ungeduldig auf die Entscheidung des Gerichts. Nach zehn Tagen wurde in einer israelischen Zeitung bekanntgegeben, dass der Bau der Mauer zwischen dem Rahels Grab und Har Gilo bis auf weiteres gestoppt wird! Das hat mich so ermutigt! Ich
war einfach überwältigt von dem Eingreifen Gottes! 


Einige Tage später traf ich unseren Bürgermeister und er sagte mir: „Johnny, du weißt schon, dass das noch keine endgültige Entscheidung ist?!“ „Ja, das weiß ich“, entgegnete ich. Wenn es Gottes Wille ist, dass die Mauer weiter gebaut wird, dann soll es eben geschehen. Aber ich glaube nicht, dass Gott diese Mauer gefällt und ich weiß, dass seine Gerechtigkeit siegen wird!“
 

Wenn ich Euch heute diese Erfahrung erzähle, dann hat das nur einen Grund: Ich möchte diese Mauer in unserem Land nicht mehr sehen! Es ist mein größter Wunsch, dass die Menschen aufeinander zugehen, anstatt weitere Trennungen zu schaffen. Ich bete dafür, dass Gott uns eine friedliche Lösung unseres Problems schenkt genau so wie damals die Berliner Mauer. Damals habe ich für den Fall Eurer Mauer gebetet. Helft Ihr jetzt uns? Und denkt immer daran, Beter sind Wundervollbringer!

Aus Beit AlLiqa - Rundbrief  Nr. 80, Mai 2014

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