Stimmung vor Papstbesuch heizt sich auf
Die Vorbereitungen zum Besuch des Papstes im Heiligen
Land laufen auf Hochtouren. Gleichzeitig erhitzen sich die Gemüter auf allen
Seiten.
von Ulrich W. Sahm, 12. Mai 2014
Der
lateinische Patriarch in Jerusalem, Fouad Twal, befürchtet, dass
„Hassverbrechen“, darunter Todesdrohungen und diffamierende Graffiti an
kirchlichen Gebäuden die Atmosphäre vor dem Papstbesuch am 25. Mai „vergiften“
könnten. Bestürzt über die „Zeichen der Intoleranz“ verlangt Twal von den
israelischen Behörden, diese Vandalen zu stoppen und hart zu bestrafen. „Wer
steckt hinter dieser Gewalt. Sind die Attacken das Werk isolierter Individuen?
Wer hat ihnen derart schlechtes Benehmen beigebracht? Wie kann es sein, dass
die Täter nicht geschnappt werden?“, fragte der Patriarch.
Mutmaßlich
stecken radikale Siedler aus dem Westjordanland und Extremisten aus Israel
hinter den Schmierereien. Autoreifen werden zerschlissen und Davidsterne auf
die Autotüren gesprüht. In Jerusalem wurden Geistliche bespuckt und tätlich
angegriffen. „Ich gehe nur noch selten in Kutte auf die Straße“, gestand ein
Dominikaner.
Israelische
Politiker verurteilen regelmäßig diese „abscheulichen“ Hassverbrechen und
fordern von der Polizei ein schnelles Durchgreifen. Das versprach auch der
Minister für innere Sicherheit, Yitzhak Aharonovitch, während einer Visite in
Umm el-Fahm, Yokneam und Furadis, arabischen Ortschaften mitten in Israel, wo
Moscheen beschmiert und Autoreifen arabischer Unternehmer zerstochen worden
sind. Es hat Verhaftungen gegeben. Aber den Behörden sind die Hände gebunden,
selbst wenn Polizisten wie in Jokneam einen mutmaßlichen Täter auf frischer Tat
bei Zerstechen von Autoreifen erwischen. Die Polizei tut sich schwer,
gerichtsfeste Beweise beizubringen, während die Richter nur leichte Strafen
wegen “Sachbeschädigung” verhängen können. Initiativen von Abgeordneten, diese
Graffiti-Attacken als “Terroranschläge” zu definieren, hatten noch keinen
Erfolg.
Jüdische
Kreise im In- und Ausland werfen Abramowitsch vor, lediglich Hassattacken auf
christliche oder muslimische Einrichtungen zu besuchen und zu verurteilen,
ähnliche Verunglimpfungen jüdischer oder israelischer Stätten zu ignorieren. So
wurden Gedenkstätten für gefallene israelische Soldaten beschädigt, über 50
israelische Flaggen in Jaffo und in Jerusalem am Unabhängigkeitstag mit roter
Farbe besprüht. In Hadera, Lod, Beer Schewa und Saffed wurden Hakenkreuze und
antisemitische Zeichnungen an Häuserwänden gefunden. In diesen Fällen stehen
muslimische Palästinenser unter dringendem Tatverdacht. Ein Sprecher des
Ministers, Yaron Zamir, behauptete, dass sein Minister die Hälfte seiner Zeit
der Aufklärung antisemitischer Hassverbrechen von Arabern widme.
Schlagzeilen
machte der israelische Schriftsteller Amos Oz. Der bezeichnete die die
Hassverbrecher als „Hebräische Neo-Nazis“. Das hat ihm schon eine Klage der
Siedlervereinigung wegen Verunglimpfung und Hetze eingetragen, mit der Absicht,
Oz „ins Gefängnis zu stecken“.
Während
in Israel und internationalen Medien vor allem Hassverbrechen jüdischer
Extremisten höchste Aufmerksamkeit erhalten, gibt es kaum beachtete Vorfälle
auch in den palästinensischen Gebieten. Hochrangige Kirchenvertreter hätten
gemäß einem Bericht von „Camera“ erklärt, dass die Zusammenstöße „vorbei“ seien
und dass jetzt alles „fein“ sei. In Bethlehem, wo die radikale Hamas-Bewegung
über eine Mehrheit im Stadtrat verfügt und wo nur noch wenige Christen leben,
werden antichristliche Ausschreitungen verschwiegen und unter den Teppich
gekehrt.
Das hatte Christy Anastas, eine junge Frau aus Bethlehem, bei
gefilmten Auftritten in Schweden und London eindrücklich beschrieben. Die
Studentin erhielt Todesdrohungen und ihre in Bethlehem lebende Familie hat sich
von ihr distanziert, nachdem sie als „Verräterin“ abgestempelt worden ist.
Auch
der Konflikt um den griechisch-orthodoxen Priester George Nadaf aus Nazareth
eskaliert. Der hatte angesichts der Christenverfolgungen in arabischen Ländern
behauptet, dass die arabischen Christen keine „Araber“ sondern „Aramäer“ seien,
also die Nachfahren der Juden. Junge arabische Christen rief er auf, sich
freiwillig zum Militärdienst bei der israelischen Armee zu melden. Die
Aufregung bei Moslems wie bei palästinensischen Christen war groß.
Ein Sprecher
des griechischen Patriarchats ließ über die französische Nachrichtenagentur afp
verbreiten, dass Nadaf seines Amtes enthoben worden sei. Doch möglicherweise
war diese Meldung nur Teil der Kampagne gegen den Priester. Denn gemäß den
Statuten hätte einen solchen Schritt allein der Patriarch bei einem
persönlichen Treffen aussprechen können. Nadaf behauptet, keine Einladung nach
Jerusalem erhalten zu haben. Derweil hat Shadi Khalloul, ein Mitstreiter von
Nadaf, um Hilfe gerufen, nachdem beide Todesdrohungen erhalten hätten.
Auf
Facebook hat Sasha Antipus, eine arabische Frau aus Jerusalem, ein Plakat mit
der Überschrift „Wanted“ (Gesucht) veröffentlicht. Unter dem Bild von Nadaf und
Khalloul wird eine hohe Belohnung „in bar“ angekündigt. Darunter steht die
Warnung: „Sie gelten als sehr gefährlich und sind bewaffnet.“
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