24.1.15

Hervorragender Bericht über die Christen im Nahen Osten und ihr Schicksal

Die Letzten

Von Eugen Sorg

Im Gebetsraum der Gabrielskirche in Nazareth ist unter anderem die gemalte Darstellung einer Köpfung zu sehen. Ein junger kräftiger Soldat umklammert mit der einen Hand ein Schwert und in der anderen hält er einen abgeschnittenen Kopf mit langen Haaren, den er einer Frau entgegenstreckt. Zu Füssen der beiden liegt der Getötete, aus dessen Rumpf sich ein Strom von Blut über den Boden ergiesst.Die Details des grauslichen Freskos fesseln die Aufmerksamkeit, bis man realisiert, dass der Künstler im Hintergrund ein zweites Bild gemalt hat, ein grösseres, das über dem ersten zu schweben scheint. Es zeigt den Verstümmelten in seiner unversehrten, aufrechten Gestalt, einen Mann mit ernstem und gleichzeitig mildem Gesichtsausdruck. Ist das ein Porträt aus der Zeit vor dessen Hinrichtung? Nein, aus der Zeit danach, gibt das Bild selber die Antwort. Der Porträtierte trägt in den Händen eine goldene Schale, in der sein abgetrennter Kopf liegt, ein erloschener Doppelkopf. Es gibt ein Leben nach dem Tod, drückte der Maler damit aus, ein Leben als wundersam Geheilter, als Auferstandener in einer besseren Welt.

Problem mit der Besatzungspolitik

Das Bild erzählt das Schicksal von Johannes dem Täufer, Bussprediger, Endzeitprophet und Zeitgenosse Jesu, zum Tode verurteilt von König Herodes Antipas, dem Sohn jenes Herodes, der den «Bethlehemitischen Kindermord» veranlasst hatte und in der christlichen Überlieferung zur Inkarnation des Schreckens geworden ist. Obwohl vor zweitausend Jahren passiert, würde heute jeder im arabischen Raum lebende Christ in der Johannes-Ikone seine eigene Situation sofort wiedererkennen: die tödliche Bedrohung und die Sehnsucht nach Trost und Rettung.

Bethlehem ist eine arabische Kleinstadt im Palästinensischen Autonomiegebiet. Tagsüber zwängen sich Autos lärmend durch die engen Gassen der Altstadt, vorbei an Fussgängern, Souvenirläden und Restaurants. 

Über 85 Prozent der Bewohner Bethlehems sind Muslime
In der Nacht erstirbt jede Geschäftigkeit, und man hört nur noch das Gebell streunender Hunde. Wer nach Bethlehem kommt, tut dies wie schon die christlichen Pilger im 2. Jahrhundert, weil hier gemäss heiliger Überlieferung Jesus zur Welt gekommen ist, in einem Stall oder in einer Höhle, dort, wo etwas später die Geburtskirche errichtet wurde. Die Stadt lebt vom Religionstourismus. Waren jedoch vor sechsundsechzig Jahren noch neun Zehntel der Einwohner Christen, sind es heute fünfzehn Prozent. Und das ist immer noch viel, gemessen am übrigen Palästina, wo Christen gerade noch ein Prozent der Gesamtpopulation ausmachen.

George Tanas Abu Aita, vierzig Jahre alt, Knautschgesicht und auffallend melodiöse Stimme, ist bekümmert. «Wir werden immer weniger», sagt der vierfache Vater, «und das ist schlecht.» Mit «wir» meint er seine Glaubensbrüder, die arabischen Christen in Palästina. Als Grund für das Verschwinden der Christen aus ihrem religiösen Herzland nennt George die Besatzungspolitik Israels und die daraus resultierenden fehlenden Jobs. «Wir haben gute Beziehungen zu den Juden», versichert er. Doch es seien die «Mauer und die Ökonomie», die die Leute in die Emigration treiben. «Bis jetzt zumindest», fügt er hinzu. – «Was kann denn sonst noch ein Grund werden?» – «Es gibt ein paar radikale Leute», antwortet er, «in Hebron.
Aber nicht hier in Bethlehem», schiebt er sofort nach, als wolle er sich selbst beruhigen, «hier ist alles friedlich.» Und sogar in Hebron, wo keine Christen mehr lebten, meint er noch, würde eine Bekannte von ihm, eine Christin, die dort als Lehrerin arbeite, gut behandelt.

Seine Stimmung hellt sich auf, als er uns in sein Geschäft führt. George verkauft religiöse Souvenirs, sein Shop ist gross wie eine Turnhalle, und auf Tischen und Gestellen liegt alles, was ein frommes christliches Herz erwärmt. Jesus am Kreuz, Jesus in der Krippe, Jesus in den Armen von Maria, Jesus mit offenem Herz, unzählige Mariendarstellungen, gemalt oder geschnitzt oder getöpfert, dazu Rosenkränze, Votivbilder, Heiligenporträts, Schmuck, Kettchen, Glücksamulette, geweihtes Wasser, auch siebenarmige jüdische Leuchter, griechische Amphoren, es glitzern die Weihnachtssterne, es duftet der Weihrauch, ein Supermarkt des heiligen Bimbam, ein Fest der süssen Devotionalien.Er sei optimistisch, meint George. 

Alles was das fromme Herz erwärmt
Letztes Jahr hätten zwei Millionen Touristen Bethlehem besucht, diesen Sommer habe es wegen des Gazakriegs eine Flaute gegeben, doch jetzt ziehe das Geschäft bereits wieder an. In seinem Büro hängen Aufnahmen von Sepp Blatter und Lionel Messi. «Das war letztes Jahr. Sie waren alle in meinem Laden, Blatter, der FC Barcelona. Und schau, hier, das ist mein Vater.» Eine Fotografie zeigt einen strahlenden älteren Mann, der Papst Franziskus ein goldenes Kruzifix überreicht. «Ein Geschenk aus unserem Shop. Letzten Mai war der Papst in Bethlehem.» Daneben hängt ein weiteres Bild. «Mein Vater und der Patriarch von Moskau»: Kyrill I., weisser Bart, streng-würdiger Blick, der Kopf- und Brustschmuck so prächtig, als hätte er ihn in Georges Laden erstanden. Und an seiner Seite der zufrieden lachende Senior.

Der Islamische Staat bedroht Christen

Sie seien in der dritten Generation im Tourismusgeschäft, erzählt George. Er hat in England Ökonomie studiert, aber es war für ihn immer klar, dass er nach Bethlehem zurückkehre. «Ich bin hier geboren, und ich werde hier sterben. Wir Christen sind seit zweitausend Jahren hier, Jesus kam hier auf die Welt, es ist unser Land, wir sind das Rückgrat von Palästina, und ich werde es nie verlassen.» Vor den Extremisten des IS, meint er ungefragt, habe er übrigens keine Angst. «Sie hätten hier keine Chance. Woher sollten sie die Waffen haben? Unsere Grenzen sind dicht.» Und als ob er von seiner Analyse selber nicht ganz überzeugt wäre, fügt er trotzig an: «Und sogar wenn wir untergehen, wird das Christentum wieder zurückkehren.»

Proportional zum Niedergang der Christen wuchs die Zahl der Muslime. Gab es vor sechsundsechzig Jahren noch kaum eine Moschee in Bethlehem und Umgebung, stehen dort heute hundert. Dieser Vorgang findet nicht nur in Bethlehem und Palästina, sondern im ganzen arabischen Raum statt. Im Mai letzten Jahres sprach Papst Franziskus achthundert christliche Märtyrer heilig. Sie waren 1480 im italienischen Otranto von osmanischen Truppen unter Sultan Mehmed II. geköpft worden, weil sie sich geweigert hatten, zum Islam überzutreten. Dabei soll sich das Wunder ereignet haben, dass der Anführer der Aufrechten, ein alter Schneider namens Antonio Pezzulla, auch nach der Enthauptung stehen geblieben sei und es auch dem Henker nicht gelungen sei, den reglosen Körper umzuwerfen. Es war die erste Kanonisierung des neues Pontifikats und wohl gedacht als Aufruf zum Durchhalten und als spirituelle Aufmunterung der bedrängten Glaubensbrüder.

Im Juni dieses Jahres waren die Gotteskrieger des Islamischen Staates Irak und Syrien (IS) wie ein Mongolensturm über den Irak hineingebrochen und hatten neben grossen Landstrichen auch die 3-Millionen-Stadt Mossul in der Ebene von Ninive erobert. Treu nach den Vorgaben des Korans und des Vorbilds ihres Propheten schlachteten und versklavten sie Andersgläubige wie die Jesiden oder stellten sie wie die Christen als «Volk des Buches» vor die Alternativen, zum Islam überzutreten, eine hohe Kopfsteuer in Gold zu bezahlen, ihre Heimat zu verlassen oder getötet zu werden. Muslimische Nachbarn hatten den Invasoren gezeigt, in welchen Häusern Christen wohnten, worauf jene mit einem N (für Nazarener, Christen) markiert wurden. Die Flüchtlinge mussten ihren gesamten Besitz zurücklassen und durften nur behalten, was sie am Leibe trugen. Überlebende berichteten, wie IS-Krieger sogar kleinen Mädchen die Ohrringe und Halskettchen abgenommen hätten, und einige erzählten, wie man einem Jungen die Batterien aus dessen Hörgerät genommen habe. Er brauche sie nicht mehr, hätten die Bärtigen gelacht, sie gehörten jetzt dem Islamischen Staat.

Bis letzten Sommer war Mossul ein Zentrum des assyrischen Christentums. Der heilige Thomas hatte schon im I. Jahrhundert die Lehre Jesu nach Mesopotamien, den heutigen Irak, gebracht. Am Ersten Konzil von Nicäa, im Jahre 325, wo über Grundfragen des Christentums debattiert wurde, nahmen mehr Bischöfe aus Mesopotamien als aus dem europäischen Westen teil. Bis heute wurde in den Kirchen auf Aramäisch, der Sprache Jesu, gepredigt. Nun sei Mossul, berichten Zeugen, ausser ein paar Alten und Reiseunfähigen weitgehend christenfrei.

Christen in der Minderheit

Vor fünfzehn Jahren hatte der Palästinenser Johnny Shawan zusammen mit seiner deutschen Frau das «Haus der Begegnung» in Bethlehem gegründet. Rund vierhundert Besucher nehmen mittlerweile regelmässig das Angebot des Zentrums in Anspruch: Frauenrunden, Bibelkreise, Kinderhort, Spielplatz, Restaurant. Das Haus soll eine «Oase» sein, ein Ort der «Sicherheit, der Ruhe und des Glaubens», sagt der energische, etwas streng wirkende 53-Jährige. 

Die Hälfte der laufenden Kosten wird mit Spenden aus Deutschland beglichen, wo Johnny lange gelebt hat und wo auch die evangelische Freikirche ihren Sitz hat, in deren Auftrag er in Palästina wirkt.Nach der Lage seiner Glaubensgenossen im Heiligen Land befragt, antwortet er: «Die Leute sind deprimiert. Sie sehen keine Zukunft hier. Als Minderheit von knapp einem Prozent sind die Christen in einer schwachen, gefährdeten Position. Und was gerade in den arabischen Nachbarländern passiert, der Aufstieg von IS, macht ihnen Angst. Jeder, der kann, wandert aus. In die USA, nach Europa.» Johnnys Familie ist seit dreihundert Jahren in Bethlehem ansässig. Seine vier Kinder leben in Deutschland, «zu Ausbildungszwecken». Ob sie zurückkehren werden, ist offen.

Oase der Sicherheit, der Ruhe und des Glaubens
Was Johnnys Meinung zu Israel betrifft, fühlt und urteilt er in erster Linie als Araber. Wie die allermeisten von ihnen gibt er fast reflexartig dem Judenstaat die alleinige Schuld am gesamten Leiden des palästinensischen Volkes inklusive der Christen, um erst im Laufe des Gesprächs noch weitere Gründe zu erwähnen. Er beklagt die israelische Besatzung des Westjor-danlandes, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die demütigende Sperrmauer um seine Heimat herum. Diese israelische Politik würde den Exodus der Christen zusätzlich antreiben. Denn Christen, so Johnny, litten noch stärker als die Muslime unter der Beengung. Das christliche Volk sei ein offenes Volk, westlich geprägt, neugierig auf andere Kulturen. Es begnüge sich nicht mit der eigenen Familie, man liebe die Freiheit, wolle reisen, ein schönes Leben führen und habe daher weniger Kinder, um sich dies leisten zu können.

Islamisierung des Alltags in Palästina

«Könnte sich in einem eigenen palästinensischen Staat das arabische Christentum wieder erholen?», will ich wissen. «Das ist eine 10-Millionen-Dollar-Frage», antwortet er, «aber die meisten Christen würden wahrscheinlich sagen, es würde noch schlimmer werden. Unsere Situation ist verzwickt. Wir haben die Wahl zwischen israelischer Unterdrückung und islamischer Vertreibung.» Dann überlegt er einen Moment und sagt schliesslich etwas, das ihn gewiss Überwindung kostet und das er kaum in Gegenwart anderer Palästinenser laut äussern würde: «Ich bin dankbar, dass Israels starke Hand in Palästina noch präsent ist. Nur Israel stoppt die Extremisten.»Seit bald dreissig Jahren erlebe er die Islamisierung des palästinensischen Alltags. Eine ehemalige muslimische Schulfreundin habe ihm bei späteren Wiedersehen plötzlich nicht mehr die Hand gegeben und die Strassenseite gewechselt. Und er erzählt von seinem Nachbarn, einem Christen, der seinen Wohnsitz nach Ecuador verlegt hatte. Johnny wollte ihm das Haus in Bethlehem abkaufen, er aber wollte nicht verkaufen und meinte, Präsident Abbas habe ihm persönlich versichert, dass sein Eigentum nicht angetastet würde. Bald nach seiner Übersiedelung nach Ecuador sei eine muslimische Familie eingezogen. Die illegalen neuen Nachbarn hätten um seine Unterschrift gebeten, um seine Einwilligung für einen Umbau zu bekommen. Dies hätte die Besetzer faktisch in Eigentümer verwandelt. Er weigerte sich trotz offenen und anonymen Drohungen wie «Wir kennen deine Kinder».

Er kenne viele ähnliche Fälle, bei denen Christen um ihr Land und Eigentum betrogen worden seien, nur wage sich kaum jemand, offen darüber zu sprechen. Oftmals stünden muslimische Gangs hinter den Enteignungen. Die Behörden blieben häufig untätig, sei es aus Unfähigkeit, aus Feigheit, aus Rücksicht auf Claninteressen.«Wie beurteilen Sie die Zukunft der Christen in der arabischen Welt?» Seine Antwort ist keine realistische Einschätzung, sondern ein eher verzweifelt anmutendes Glaubensbekenntnis. «Ich muss Christ sein», sagt er, «ich muss leuchten in der Nacht. Jesus Christus ist der Sieger. Ich bin auf der Seite von Jesus Christus.»Die Drangsalierung und Vertreibung von Minderheiten ist eine Konstante in dieser Weltregion. Es gab immer auch Zeiten des labilen Gleichgewichts zwischen den diversen ethnischen und religiösen Gruppen. Fühlte sich die eine Seite aber stark genug, die andere zu unterwerfen, konnte die prekäre Balance unvermittelt in eine Gewaltorgie umschlagen. Über die Jahrhunderte betrachtet, lässt sich allgemein festhalten, dass überall, wo sich in einem Gebiet eine muslimische Bevölkerungsmehrheit etablieren konnte, die viel älteren jüdischen, christlichen oder anderen Bekenntnisse immer stärker unter Druck gerieten und deren Gemeinden früher oder später faktisch aufhörten zu existieren.

Verschwörungstheorien

Düster seien die Aussichten für die palästinensischen Christen, meint auch Walid Shomali, Dozent für Chemie an der Universität Bethlehem, er sei sehr pessimistisch. Aber trotz der negativen Prognose und obwohl er nicht den Trost eines soliden Gottvertrauens abrufen kann – «ich bin Agnostiker» –, macht der 56-Jährige einen aufgeräumten Eindruck. Er ist von streitbarem Temperament.

Oberster Schuldiger an der Misere der christlichen Palästinenser, stellt er gleich klar, sei Israel. Einmal als arrogante Besatzungsmacht und dann als Schutzmacht der expandierenden jüdischen Siedler, die sein Volk erstickten. Eine Bedrohung stelle auch die islamistische Bewegung dar, al-Qaida, IS, «in dieser Weltgegend kann man nie wissen, was als Nächstes passiert. Wir sind in grösster Sorge.» Als ich einwende, dass dank Israel die Christen zumindest in Palästina geschützt seien, reagiert Walid heftig.Nein, widerspricht er und hebt an zu einer jener Verschwörungstheorien, denen im arabischen Raum mit Passion gehuldigt wird und in denen am Schluss immer die Juden schuld sind. Israel, die USA und der Vatikan, behauptet er, würden Krieg wollen. Sie hätten ein Interesse an einem Nahen Osten ohne Christen. «Denn wir sind die Brücke zwischen Ost und West.» Ich versuche zu fragen, wie er auf eine solche Idee kommt, aber er ist in Fahrt gekommen. «Israel will, dass die Region in fanatische islamische Kleinstaaten zerfällt», doziert er weiter, «dann hat es einen Grund für den Krieg.» 

Zur Unterstützung seiner These schweift er zurück in die Zeiten des Alten Testaments, spottet über die «Lügen und Mythen der primitiven Juden» und über die Dummheit der Christen, welche diese glaubten, und behauptet, in den antiken heiligen Büchern jenen Geheimplan zur Macht zu erkennen, dem die Juden bis heute folgten.

Als er nach fünf Minuten immer noch halsbrecherisch durch Zeit und Raum mäandriert, unterbreche ich den Vortrag. «Entschuldigen Sie», sage ich, «aber das ist Mist.» Walid schaut einen Moment überrascht, fasst sich aber sofort wieder und zeigt, dass er auch Sinn für Humor hat. «Wie kannst du so mit mir reden», meint er und setzt ein trauriges Gesicht auf, «bist du etwa ein israelischer Spion? Ich spring gleich aus dem Fenster.»Er wechselt zum Thema Demografie. Er gehöre zur kulturellen Elite, meint er, zu den christlichen Intellektuellen, und für sie sei es Pflicht, Kinder zu machen. «Wie viele haben Sie?», frage ich. – «Vier.» – «Bravo.» – «Ich bin Katholik», gibt er sich bescheiden. Er werfe den Europäern vor, fährt er fort und schaut mich an, dass sie nur ein Kind machen. «Die Fanatiker aber machen viele Kinder und werden Europa übernehmen.» Eine pakistanische Familie habe zehn Kinder. Vier würden Diebe, zwei lebten von der Wohlfahrt in Europa und zwei würden Terroristen. 
Aber nur um es klar zu machen, fügt er an, er habe etwas gegen Fanatiker, nicht gegen Muslime.Er hege eine negative Bewunderung für den Islam. Dessen Leistung sei es, die Herzen und Gedanken von eineinhalb Milliarden Menschen in ein einziges Buch zu packen. Wie verrückt sei das. Eine Religion, die so viele Menschen dazu bringen könne, nicht mehr selber zu denken, sei wirklich eine Macht. Eine Supermacht der Hirnwäsche.Hätten die einen zu viel an Glauben, mangle es den anderen daran. Walid beklagt die leisetreterische Haltung der palästinensischen Christen gegenüber der muslimischen Mehrheit. Sie hätten Angst und viele würden sich minderwertig fühlen. Wenn er Bus fahre und an einem Kloster vorbeikomme, könne er beobachten, wie die christlichen Frauen verstohlen und verschämt das Kreuz schlagen würden. Sie seien nicht stolz auf ihre Zugehörigkeit. Es sei eine Tragödie.

Auch die eigene Geschichte sei vielen nicht bekannt. Im Curriculum der Schulen würden achthundert Jahre christlicher Präsenz in der Region unterschlagen. «Mir ist nicht der Glaube wichtig», schliesst Walid, «jedoch die Tradition, die Identität, das Erbe. Ich gehe selber nicht in die Kirche. Aber ich habe meine Kinder dahin geschickt. Sie müssen das kennen. Das ist meine Herzensüberzeugung. Ein Naher Osten ohne Christentum ist sehr arm.»

Völkermord an den Christen

Zum Abschied führt uns Walid durch die Universität. Sie ist eine katholische Gründung und öffnete 1973 als erste Hochschule des Westjordanlandes ihre Tore. Die Hälfte des 150-köpfigen Lehrpersonals ist christlich, ein Grossteil der dreitausend Studierenden ist muslimisch und von diesen wiederum sind drei Viertel weiblich. Auf den Gängen und den Vorplätzen dominieren die jungen Frauen mit Kopftüchern und bedeckten Armen. Vor fünfundzwanzig Jahren, bemerkt Walid, trugen die meisten ihre Haare noch offen. Heute würde sich kein muslimisches Mädchen mehr getrauen, ohne Kopftuch aus dem Haus zu gehen. Aber immerhin wäre es den christlichen Mädchen noch erlaubt, unbedeckt durch die Strassen zu gehen. «Aber nichts ist hier in Stein gemeisselt. Es gibt zu viele Verrückte in dieser Gegend.»

Universität Bethlehem
In der Levante, in jenen Ländern und Gebieten am östlichen Mittelmeer, dominierten die Christen noch vor hundert Jahren das intellektuelle und wirtschaftliche Leben. In der Türkei, die bis Ende des 1. Jahrtausends rein christlich war, stellten sie noch ein Fünftel der Bevölkerung, im 1926 gegründeten Libanon bildeten sie die Mehrheit, in Palästina, im heutigen Syrien und dem heutigen Irak existierten uralte, lebendige Gemeinschaften. Das von Türken gegründete osmanische Kalifat befand sich beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges im unaufhaltsamen Niedergang. Um wenigstens das türkische Kernland vor der Auflösung zu bewahren, beschloss die Regierung die Eliminierung der christlichen Minderheiten, denen man verräterische Konspiration mit dem Feind und die Schuld an den politischen und militärischen Niederlagen zuschob. 

Im November 1914 wurde in allen osmanischen Moscheen zum Heiligen Krieg gegen die Christen aufgerufen unter dem Motto «Eine Nation, eine Religion».Zwischen drei und vier Millionen wurden in den kommenden zehn Jahren erschlagen, auf Todesmärschen in die syrische Wüste getrieben, ausgehungert, in Schluchten geworfen, geköpft. Bekannt ist der Genozid an einer Million christlichen Armeniern; weniger bekannt ist die Massakrierung und Vertreibung von über einer Million pontischer und anatolischer Griechen; gänzlich vergessen ist die Ermordung von Hunderttausenden assyrischer Christen in verschiedenen osmanischen Provinzen von der Türkei über Aleppo und Mossul bis nach Ägypten. Einen «christlichen Holocaust» nannte der in Jerusalem lehrende Genozid-Forscher Israel W. Charny diese Ereignisse. Christen machen heute noch 0,2 Prozent der türkischen Bevölkerung aus.

Das Wunder der christlichen Lehre

Dass in einer der gewalttätigsten Zonen dieser Erde ein Mann wie Jesus auftauchen konnte, der Mitleid mit den Erniedrigten predigte und Liebe für die Feinde, ist bereits eine erstaunliche Geschichte. Dass seine Lehre aber Anklang fand und die Welt veränderte, eine Lehre, die das Beste im Menschen hervorbrachte und dem Schlimmsten immer entgegenstand, gehört zu den ganz grossen Geschichten der menschlichen Zivilisation. Und es kann einen Trauer überfallen angesichts der Möglichkeit, dass im Heiligen Land, der Wiege des Christentums, in Zukunft keine Christen mehr leben könnten. Die bedrängten orientalischen Christen dürfen kaum auf Beistand zählen. Nur religiöse Hilfswerke wie Kirche in Not leisten karitativen Support, können aber weder Vertreibung noch Auswanderung stoppen. 

Den postchristlichen, säkularen Westen aber lässt deren Schicksal seltsam kalt. Sie fühlen keine Verbindung mehr mit ihren frommen Verwandten. Viel stärker als die Eliminierung der assyrischen Christen durch den IS berührte das Publikum in unseren Breitengraden diejenige der Jesiden, eines alten, vorchristlichen Kleinvolkes. Dass Israel das einzige Land im Nahen Osten ist, in dem die Christen weder physisch bedroht noch kulturell drangsaliert werden, sollte seinen vielen Schmähern zu denken geben. 
Nur im Judenstaat hat die Zahl der Christen nicht ab-, sondern zugenommen. Einige Schätzungen gehen von 300 000 aus, was doppelt so viele wären wie vor fünfzehn Jahren. Der Zuwachs verdankt sich vor allem Einwanderern und Asylsuchenden aus Osteuropa, den Philippinen, Afrika.

Im israelischen Nazareth, der Heimatstadt Jesu, steht die Basilika der Verkündigung, eine der heiligsten Stätten der Christen. Gemäss Überlieferung erschien hier der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria. Das Gotteshaus existierte wahrscheinlich schon im 4. Jahrhundert, wurde später mehrmals von muslimischen Eroberern zerstört und von den Anhängern Jesu immer wieder aufgebaut. Es ist der grösste christliche Sakralbau im Nahen Osten.Auf das Jubiläumsjahr 2000 war ein Besuch des Papstes angesagt. Um möglichst vielen Gläubigen den Besuch der Messe zu ermöglichen, sollte der Platz vor der Basilika vergrössert werden. Dies passte bestimmten muslimischen Kreisen nicht.
Sie besetzten den Platz und machten geltend, dass der Ort für Nicht-Muslime gesperrt sei. Er sei geheiligt, da in der Erde die Knochen eines Neffen von Saladin, dem Eroberer Jerusalems, begraben wären. Und sie kündigten an, dass dort eine Moschee gebaut werden soll, gleich neben der Basilika und noch grösser als diese. Eine Provokation, die das prekäre Gleichgewicht der Stadt störte und zu Unruhen führte. 

islamische Banner neben der Verkündigungsbasilika
Nazareth, in den Hügeln Galiläas gelegen, war lange Zeit christlich dominiert. Mittlerweile ist es zu siebzig Prozent muslimisch und beherbergt Israels grösste arabisch-muslimische Gemeinschaft.

Dank Israel

Das israelische Oberste Gericht entzog dem Moschee-Komitee die Baubewilligung, und etwas später wurde diesem zugestanden, eine in der Nähe bereits bestehende Moschee ein wenig zu vergrössern. Es war das Verdikt eines Rechtstaates, der auch die Mittel hat, es durchzusetzen. Den Muslim-Aktivisten blieb keine andere Wahl, als ihm Folge zu leisten. Obwohl sie sich moralisch nach wie vor überlegen und im absoluten Recht wähnten. 

Wer in diesen Tagen in Nazareth zur Basilika spaziert, kommt an den Bannern vorbei, die seit jenem Machtkampf an der Moschee ausgehängt sind. Sie sind beschriftet mit Suren aus dem Koran, zum Beispiel der Sure 2, Vers 171, einer Drohung an die Christen: «O ihr Leute des Buches, übertreibt nicht in eurer Religion und sagt über Gott nur die Wahrheit. Christus Jesus, Sohn der Maria, ist nur der Gesandte Gottes... Hört auf, das ist besser für euch...»

Doch in der Stadt ist wieder Ruhe eingekehrt. Dafür sorgt der israelische Sicherheitsapparat. In der Basilika gehen jeden Tag Hunderte Besucher ein und aus, Christen aus Israel und aus aller Welt, unbehelligt, in Sicherheit. Eine Gruppe pensionierter Amerikaner, ausgerüstet wie für eine Religionssafari mit Sporthosen, Sonnenkäppis und Wasserflaschen, lässt sich auf Englisch eine Messe lesen. Korpulente Russen in Pilgertüchern berühren sanft Statuen der heiligen Mutter Maria und schlagen murmelnd ein Kreuz, den kahl geschorenen Kopf demütig gesenkt. Eine Schar Eritreer, Männer, Frauen, Kinder, alle prächtig gekleidet wie zur Begrüssung des Erlösers selber, bewegt sich durch die Kirche, leise, staunend, beeindruckt von deren Grösse und Herrlichkeit. Sie leben im Süden von Tel Aviv, es sind Flüchtlinge, die Geschichten aus der christlichen Überlieferung sind für sie real, sie haben sie persönlich erlebt: Auszug aus der Heimat, Flucht durch die Wüste, Massaker, Dürren, Hunger, Rettung.

Von der Basilika sind es nur ein paar Schritte bis zur Gabrielskirche, wo sich das Bildnis von der Enthauptung des Johannes befindet. Auf dem Kirchplatz hat sich eine Hochzeitsgesellschaft arabischer Christen versammelt. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Kinder rennen herum, viel Jungvolk ist anwesend und auf Stühlen die Eltern und Grosseltern, die mit einer Mischung aus Stolz und Wehmut die wunderbaren Früchte ihrer Liebe und Mühe betrachten. Es ist ein Bild des prallen Lebens, die jungen Frauen hinreissend gekleidet, enge Blusen, in den Kleidern hohe Schlitze, freie Rücken, gewagte Stilettos, eine Feier der raffinierten Sinnlichkeit. Sie schnattern und scherzen und bewegen sich ungezwungen unter den Männern, die, elegant und souverän, sich freuen an der Schönheit ihrer Schwestern, Cousinen und Freundinnen. Der Kontrast zur Verhüllungsmanie, zur Geschlechtertrennung, zur patriarchalen Kontrollsucht einer aggressiv expandierenden muslimischen Rechtsgläubigkeit könnte schlagender nicht sein. Zwei unvereinbare Welten treffen aufeinander. Die eine würde die andere leben lassen, aber diese duldet nichts ausser sich selbst. Nur eine kann als Sieger hervorgehen. Die Situation der Christen in Nahost ist fürchterlich. Aber noch nicht ganz verloren.

aus: DAS MAGAZIN Das MAGAZIN ist die wöchentliche Beilage des Schweizer Tages-Anzeigers, der Basler Zeitung, der Berner Zeitung und von Der Bund.

17.1.15

Die Christen nahmen die Demütigung schweigend hin

Wer hat schon das Recht, die palästinensischen Christen in den PA-Gebieten zu verurteilen? Ich habe diesen Artikel aus israelheute nicht zu diesem Zweck hier eingestellt, sondern weil er zum Nachdenken anregt. 
In unserem demokratischen Europa gibt es PEGIDA und viele andere Wege, seinen Protest zu äußern und die Meinung zu sagen, wenn man vor Islamisierung und Terror Angst hat. Aber wie sieht es für die Christen in den arabischen Ländern aus? Sie sitzen in der PA jedenfalls zwischen allen Stühlen und müssen sich entscheiden: Mutig sein, und sich wehren und die Gefahr für Leib und Leben eingehen - oder "feige" sein, alles hinnehmen und dafür am Leben bleiben und die Familie schützen.

Weihnachtsschokolade mit islamistischer Propaganda

Wie jedes Jahr, so wurden auch dieses Mal am 20. Dezember die Kerzen des großen, schön geschmückten Weihnachtsbaumes der katholischen Schule am Neuen Tor in Jerusalem festlich angezündet. Mit Gebet und Adventsliedergesang ging es zum gegenüberliegenden Notre Dame Center, wo die fröhliche Feier fortgesetzt wurde. Hunderte von Kindern erfreuten sich zusammen mit zahllosen Erwachsenen an der festlichen Stimmung. 

Notre Dame Jerusalem
Unbemerkt von den Meisten aber verteilten am Ende des großen Umzugs muslimische Fatah Angehörige ihre Gaben an die Kinder: Schokoladenpäckchen, eingewickelt in einer Banderole. Diese zeigt die beiden Vorsitzenden der PLO, Mahmud Abbas und Jassir Arafat, die je von einer Ecke des Papiers aus den Betrachter anschauen. 
Arafat winkt mit dem linken Arm, hinter ihm erscheint die goldene Kuppel des Felsendoms. Hinter Abbas sieht man das Dach der Grabeskirche mit dem Kreuz darauf. Abbas und Arafat stehen sich gegenüber, so wie auch die Grabeskirche und der Felsendom. In der Mitte steht in arabischer Schrift, in schwarzrot-grüner Palästinenserflaggenfarbe:
„Wenn Jesus zurückkommen wird, dann wird er den Vatikan in eine Zentrale der Fatah verwandeln.“ 

Die Kinder haben die Schokolade genommen und sich nicht weiter um die PLO-Propaganda gekümmert. Sie haben sie gegessen und heruntergeschluckt. Die Saat geht, wie die Schokolade, erst still im Alltag der Kinder unter und kommt dann verdaut, scheinbar spurlos, später wieder zum Vorschein. Die Erwachsenen, die die Propaganda-Aktion am Ende der Prozession mitbekommen haben, schweigen still. Sie wollen keine Unannehmlichkeiten, besonders nicht an einem so schönen Tag. Die Geistlichen, die vorne vorangehen, haben nichts gesehen und wollen von nichts wissen. 

So nimmt der islamistische Propaganda-Trick ungestört seinen Lauf. Es gab israelische Polizei in der Nähe. Die Christen hätten sich an Ordnungshüter wenden können und um Schutz vor islamischer Agitation bitten können. Sie hätten eine Anzeige wegen Störung einer religiösen Veranstaltung bei den lokalen israelischen Behörden erstatten können. 
Sie hätten einen internationalen Protest wegen Einschränkung der Religionsfreiheit durch die muslimische PLO initiieren können. Sie hätten sich bei der PLO beschweren können wegen der unerwünschten Einmischung in das höchste christliche Fest des Jahres. Sie hätten sich an eine Menschenrechtsorganisation wenden können. 

Nichts von all dem geschah. Gar nichts. Die Christen nahmen die Demütigung schweigend hin. Mitten in der Hauptstadt Israels, dem Staat, der für die Anstrengung zur Bewahrung der Religionsfreiheit aller seiner Einwohner bekannt ist, beugen sich die Christen dem islamistischen Diktat. Christen haben Angst, sich mit Israel zu verbünden, um sich gegen islamistische Übergriffe zu schützen. 
Im Gegenteil, sie folgenwillig islamistischen Boykott-Agitationen gegen Israel. Hilft das den Christen? Nein, es schwächt sie in den Augen der Islamisten um so mehr. 
Israelis sind fassungslos über so viel Feigheit. Sie verstehen nicht, dass die Christen, die in Freiheit leben, sich nicht gegen eine islamistische Unterdrückung wehren. Israel fasst es nicht, dass die Zeitungen der westlichen Welt zu Weihnachten nicht voll sind mit Berichten und Analysen zur Situation der systematischen Ausrottung der Christen im Nahen Osten. 
Der Aufruf des Papstes zu Weihnachten, für die verfolgten Christen in den islamischen Ländern einzutreten, klingt wie ein Schrei in der Wüste.

israelheute

23.12.14

Palästinenser, die Israel lieben - Interview mit Naim Khoury

Bethlehemer Pastor:

Es gibt Palästinenser, die Israel lieben

Naim Khoury ist Direktor der Holy Land Mission und Pastor der First Baptist Church in Bethlehem. Schon oft hat er mutig Dinge beim Namen genannt. Israel Heute-Korrespondent Ryan Jones hat mit ihm über die Situation in Bethlehem gesprochen, die wachsende christliche Opposition gegen Israel, der sich sogar einige aus der messianischen Gemeinde anschließen, und wie Gläubige von außerhalb den Konflikt besser verstehen können.


Israel Heute: Wie sieht die Situation für Christen in Bethlehem momentan aus?

Dr. Naim Khoury: Es wird von Jahr zu Jahr schwerer. Das hat verschiedene Gründe. Die schlechte Wirtschaft, unter der jeder leidet, besonders die Christen, und wegen der viele auswandern. So viele Christen verlassen Bethlehem, und das ist schlecht für die ganze Gemeinde. Viele gehen auch wegender politischen Situation, die immer schlimmer wird, sowohl von innen als auch von außen. Der politische Apparat (der Palästinensischen Autonomiebehörde) funktioniert nicht, er hilft dem eigenen Volk nicht.

Von außen versuchen die Israelis, ihre Grenzen zu sichern, um sich vor Selbstmordanschlägen zu schützen. Und in dieser schweren Zeit fehlt jegliche Unterstützung seitens der „Mutterkirche“. Die Weltkirche hat sich in Zeiten der Not nicht zu den Christen in Bethlehem gestellt. Viele in der Weltkirche würden sagen, dass sie an der Seite der Christen in Bethlehem stehen, indem sie gegen Israel sind. Israel für alles verantwortlich machen, funktioniert nicht. So kann man keine Saat des Friedens säen. So sollten Christen nicht handeln.

Christen müssen die Saat des Friedens und der Liebe und der Harmonie in die Herzen und Gedanken der Menschen säen. Wir müssen die Mentalität verändern. Die alle zwei Jahre stattfindende „Christus am Checkpoint“-Konferenz am Bethlehemer Bible College schlägt einen anderen Kurs ein. Es steht ihnen frei, zu denken und zu sagen, was sie wollen. Ich nehme an dieser Konferenz nicht teil, ich bin sogar dagegen, weil sie nicht biblisch fundiert ist. Dort sind Wölfe im Schafspelz, die Politik spielen.

Als bibelgläubiger, evangelikaler Christ, der sich auf das ganze Wort Gottes stellt, denke ich, dass man nicht politisch involviert sein sollte. Die Bibel als Ganzes, also Altes und Neues Testament, ist die wahre Antwort auf unsere Situation. Diejenigen bei „Christus am Checkpoint“ gehen zum Checkpoint und demonstrieren gegen Israel, aber das ist nicht der rechte Umgang mit der Situation. Man sollte den Titel ändern. „Christus am Checkpoint“ ist politisch, nicht biblisch. Die Botschaft bei „Christus am Checkpoint“ ist, dass christliche Zionisten sich politisch engagieren, und zwar im Widerspruch zur Bibel.


Jeder israelfreundliche Christ aus dem Ausland, dem ich begegne, bezieht seine Einstellung aus dem Wort und dem Bund Gottes. Die andere Seite bezieht ihre Position auf die Ersatztheologie. Vor ein paar Jahren habe ich mich einmal damit beschäftigt und herausgefunden, dass die meisten palästinensischen Christen und Kirchen sich auf die Ersatztheologie stützen.

Das ist so, weil sie sich mit Politik beschäftigen. Ich betrachte diejenigen, die biblisch an der Seite Israels stehen, nicht als politisch.

Trotzdem wird argumentiert, dass Christen Israel blind unterstützen.

Israel ist nicht perfekt. Keine Nation ist das. Das heißt aber nicht, dass ich die grundlegenden Lehren meines Glaubens im Bezug auf das Wort Gottes in Abrede stellen muss.

Heißt das, als palästinensischer christlicher Leiter sehen Sie eine Verbindung zwischen der Bibel und dem modernen Staat Israel?

Ja. Biblisch gesehen gibt es daran keinen Zweifel. Ich muss das akzeptieren, weil man nicht einen Teil der Bibel akzeptieren und den Rest verleugnen kann. Ich glaube an die ganze Bibel als unfehlbares, von Gott inspiriertes Wort. Und das ist auch meine Antwort an jene, die den Staat Israel nicht akzeptieren oder die Ersatztheologie benutzen, um zusagen, die Kirche habe Israel ersetzt. Diese Leute müssen ihre Bibel lesen. Die Kapitel 9 bis 11 des Römerbriefs sprechen davon, dass Gott Israel nicht fallengelassen hat. Der Bund und die Verheißungen sind noch immer von Bedeutung. Und das ist biblisch, nicht politisch.

Jassir Arafat hat jedes Mal zu Weihnachten verkündet, dass Jesus Palästinenser gewesen sei. Hat sich seine Botschaft bei jungen palästinensischen Christen festsetzen können?

Zu glauben, dass Jesus ein Palästinenser war, ist aus historischen Gründen einfach nicht möglich. Seit es die Palästinensische Autonomiebehörde in Bethlehem und der Region gibt, wurde Weihnachten immer mehr zu einer nationalen Veranstaltung. Das ist etwas anderes als ein religiöses Fest. In Bethlehem begegnet einem der Weihnachtsmann und lauter Schneemänner, aber man hört nichts über Jesus. Und die jungen Leute wissen es nicht besser. Oder es interessiert sie einfach nicht. Sie freuen sich über den Feiertag, aber ich habe keinen getroffen, der wirklich versteht, worum es geht.

Sie legen Jesus eine Kaffijeh (Palästinensertuch) an. Das ist bloß eine symbolische Geste, aber sie verstehen nicht, was sie tun.

Haben Sie Angst davor, dass die Verfolgung, der die Christen in Syrien und im Irak ausgesetzt sind, auch Christen im Heiligen Land erreichen könnte?

Bis jetzt sehe ich keine Bedrohung in dieser Hinsicht, und das nur angesichts der Existenz des Staates Israel. Der sicherste Ort für Christen ist hier, weil Israel weder dem IS noch irgendeiner anderen Terrorgruppe erlauben wird, Christen in diesem Land zu ermorden.

Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass 77 Prozent der Araber in der Region lieber unter israelischer Herrschaft leben würden als in einem palästinensischen Staat.

Vielleicht sogar noch mehr. Einige haben Angst, das auszusprechen.
Seien wir ehrlich, israelische Araber haben viele Privilegien und Vorteile unter Israel, die sie unter der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht haben würden. Da ist es nur logisch, dass diese Leute lieber in Israel bleiben wollen.

Würde die Errichtung eines palästinensischen Staates die Situation für die Araber vor Ort verbessern?

Ich weiß es nicht. Die Palästinenser haben einfach keine Agenda. Was würden sie für ihr Volk tun, gäbe es einen unabhängigen Staat? Seit die Palästinensische Autonomiebehörde hier 1995 Einzug gehalten hat, wurde nicht viel für die Menschen getan. Es gibt einfach keine klare Linie. 

Pastor Steven Khoury
 
Gibt es Hoffnung für diesen Konflikt?

Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht zur Zeit. Wer weiß, was in Zukunft sein wird. Was könnte Israel tun, um den palästinensischen Christen zu helfen? Es werden bereits mehr Arbeitserlaubnisse für Arbeit in Israel ausgegeben. Aber nicht jeder kommt an solch eine Erlaubnis heran. Ich wünschte, die Christen könnten einfach nach Israel kommen, ohne Erlaubnis. Als christlicher Leiter sehe ich nichts Schlimmes darin. Im allgemeinen haben die Christen Israel keinen Schaden zugefügt.

Was würden Sie Christen von außerhalb mit auf den Weg geben, die in diesem Konflikt Partei ergreifen?

Man kann nicht die Juden lieben und die Araber hassen. Und man kann nicht die Araber lieben und die Juden hassen. Jesus ist für alle gestorben, er liebt beide. Möge Gott Eure Augen und Herzen öffnen, damit Ihr seht, dass es palästinensische Araber gibt, die Jesus lieben und Israel lieben. Die Stellung beziehen und dafür einen Preis zahlen, dass sie das Wort Gottes in diesem Land verkünden. Bitte seid nicht auf einemAuge blind. Macht die Augen auf und seht die Not. Auf beiden Seiten.


Informationen zu Dr. Khoury und seinem Dienst unter www.fbcbethlehem.com

16.12.14

Lage der Christen in Gaza immer dramatischer


Konrad Adenauer Stiftung
 
Die Lage der Christen im Gazastreifen wird immer bedrohlicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (Berlin). Immer mehr radikale Islamisten drängten über den Sinai nach Gaza. Mittlerweile äußere sich jeder fünfte Bewohner (19 Prozent) positiv über die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Gleichzeitig schrumpfe die christliche Gemeinde in dem Küstenstreifen. 

Lebten dort 1967, am Vorabend des Sechs-Tage-Kriegs, noch rund 10.000 Christen, seien es gegenwärtig nur noch etwas über 1.300; das entspricht 0,07 Prozent der 1,8 Millionen Einwohner. „Sollte die Emigration der Christen aus Gaza anhalten, wird die 1.700 Jahre alte christliche Gemeinschaft in Gaza bald Geschichte sein“, warnen die Autoren.

Sorge vor militantem Islamismus

Schon jetzt stammten alle katholischen, evangelischen und orthodoxen Geistlichen nicht mehr aus Gaza, sondern aus dem Ausland. Die größte Sorge der Verbliebenen ist laut Studie, dass eines Tages die radikal-islamische Hamas durch noch extremere islamische Gruppen abgelöst werden könnte: „Dann stünden die Christen in Gaza vor einem ähnlichen Szenario wie ihre Brüder und Schwestern im Irak und Syrien.“ 

Unter der israelischen und ägyptischen Blockade des Gebietes litten Muslime und Christen gleichermaßen. Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel im Sommer komme deswegen der Wiederaufbau nur langsam voran.

Junge Christen bei einem Schulfest in der katholischen Pfarrei in Gaza-Stadt

Ohne Perspektive

„Momentan sind wir sicher, aber wir haben keine Ahnung, was die Zukunft bringen wird“, wird der katholische Priester George Hernandez in dem Bericht zitiert. Vor allem Jugendliche hätten aufgehört, an eine bessere Zukunft zu glauben: „Ich habe einmal einen Jungen gefragt: ‚Von was träumst du?’ Er antwortete mir: ‚Nichts, ich werde ohnehin immer nur daheim rumsitzen wie mein Vater’.“ 

Die Christliche Gemeinde in Gaza reicht bis ins 3. Jahrhundert zurück. Im 5. Jahrhundert war Gaza ein wichtiges christliches Zentrum und nach Jerusalem die größte Ansammlung klösterlichen Lebens in Palästina. Heute sind 89 Prozent der verbliebenen Christen griechisch-orthodox, neun Prozent gehören der katholischen Kirche an. Der Rest verteilt sich auf kleinere, überwiegend evangelische Glaubensgemeinschaften.

idea

30.11.14

Immer mehr Christen stellen sich auf die Seite Israels

Vater Unser in der israelischen Armee


In der israelischen Armee gibt es ein paar Christen, die sich freiwillig zum Dienst verpflichtet haben - obwohl sie es nicht müssten. Sie bekennen sich zu Israel als ihrem Staat. Aber der Weg, den sie gehen, ist kein leichter.

"Ich habe mir gesagt, ich werde studieren, meinen Abschluss in Jura machen und dann zur Armee gehen. Und das habe ich getan. Ich glaube, ich bin realistischer. Ich lebe nicht in Palästina oder sonst wo, ich lebe in Israel. Ich bin israelische Staatsbürgerin. Und das ist mein Leben, das ist meine Heimat."

Arin ist eine von rund 60 Christen in der israelischen Armee. Eigentlich müssen in Israel Männer drei und Frauen zwei Jahre dienen. Doch Muslime, Beduinen und die mehr als 123.000 Christen in Israel sind von der Wehrpflicht befreit. Für viele kommt es auch nicht infrage, sich freiwillig zu melden. Sie fühlen sich als Minderheit in Israel diskriminiert. Manche sehen sich als Palästinenser oder wollen zumindest nicht in einer Armee dienen, die Teile des Westjordanlandes kontrolliert. Arin muss deshalb viel Kritik aushalten, auch in ihrer Heimatstadt Nazareth.

"Am Anfang war es sehr hart, weil die Leute es nicht verstehen. Das ist nicht gewöhnlich in Nazareth, vor allem ein Mädchen in Uniform. Ich habe dadurch Freunde verloren. Aber ich glaube an das, was ich mache. Ich hatte anfangs einen sehr, sehr schweren Weg. Aber jetzt, vier Jahre später, geht es mir gut, ich habe gelernt, damit umzugehen, und gehe zum Beispiel nicht in Uniform nach Nazareth, um die Lage ruhig zu halten." 

Arin ist nicht allein.  
Immer mehr Christen wollen nicht mehr Araber genannt werden und stellen sich auf die Seite Israels. 
Einige haben sich deshalb zum "Forum für die Rekrutierung von Christen" zusammengeschlossen und für das kommende Jahr bereits rund 150 Christen rekrutiert – mehr als doppelt so viele wie bisher. Pater Gabriel Nadaf von der griechisch-orthodoxen Gemeinde in Nazareth unterstützt das Forum. Heute ist er auf dem Weg in die Knesset, um für die Ziele des Forums zu werben. Unterstützung findet er vor allem bei den Mitte-Rechts-Parteien.

"Dass wir uns in die israelische Gesellschaft integrieren wollen, hat moralische und historische Gründe und hängt mit den Wurzeln der Christen im Nahen Osten und speziell in Israel zusammen. Denn das Christentum kommt direkt vom Judentum und ist davon nicht wegzudenken. Das ist das Land unserer Väter und Großväter. Wir wollen nun zu unseren Wurzeln zurückkehren, denn mit den arabischen Staaten haben die Christen ja nichts zu tun."

File:Flickr - Israel Defense Forces

Selbst der Krieg kann die Christen nicht von ihrem Vorhaben abbringen. An einem lauen Sommerabend im Juli, als die Operation „Fels in der Brandung“ in vollem Gange ist, versammeln sich in der Stadt Haifa rund 100 Christen. Sie schwenken die Flaggen des Vatikans und Israels. Später werden einige sogar die israelische Nationalhymne “Hatikvah” anstimmen. Die Christen wollen Solidarität mit Israel und der Armee zeigen und auf die Verfolgung von Christen in Syrien und im Irak aufmerksam machen.  Auch Gabriel Nadaf ist gekommen und beginnt die Demonstration mit einem gemeinsamen Gebet.

Zahlreiche Mitglieder des Forums für die Rekrutierung von Christen sind an diesem Abend nach Haifa gekommen. Shadi Khalloul ist der Sprecher des Forums und hat den Protest organisiert. Er erklärt, was die Verfolgung von Christen im Nahen Osten mit dem Krieg im Gazastreifen zu tun hat.

"Wir können nicht nur für die Christen im Irak und in Syrien protestieren und dabei ignorieren, was hier im Land passiert. Wir sind hier im Krieg. Es werden Soldaten und Zivilisten getötet. Es wäre falsch, das zu ignorieren. Denn wir glauben, dass der Terror hier derselbe ist wie dort. Hamas hat dieselbe Ideologie wie al-Qaida oder die Hisbollah, und sie akzeptieren niemanden, der anders ist als sie." 

Beim Treffen in Haifa im August 2014

Auch einige Israelis sind zur Demonstration in Haifa gekommen. Shadi hat zum Beispiel die jungen Mitglieder der konservativen Likud Partei eingeladen, die sich über den Zuspruch der Christen freuen. Für sie ist dies eine Bestätigung der Politik Netanyahus.

Unter den zahlreichen Christen an diesem Abend ist die 18-jährige Jennifer. Noch in diesem Jahr wird sie ihren Dienst in der israelischen Armee antreten. Auch, wenn sie dadurch viele Freunde verliert - Jennifer positioniert sich klar:

"Ich bin nicht gegen den Krieg. Wir müssen uns gegen die Terroristen verteidigen. Es ist unsere Pflicht. Die Armee hat das Recht anzugreifen, um uns zu schützen."

Jennifer spricht von "uns" und "wir". Für sie ist klar, dass sie nicht Araberin ist, sondern Israelin und damit Teil dieses Landes.

"Ich bin Christin und Israelin und stolz darauf."

Lissy Kaufmann: "Und du würdst dich nicht als Araberin bezeichnen."

"Auf keinen Fall. Das ist eine Beleidigung. Ich sehe mich nicht als Araberin." 

Auch der Organisator Shadi Khalloul diente in der israelischen Armee - als Fallschirmjäger. Er glaubt, dass Muslime eine Gefahr für die christliche Minderheit darstellen. Israel sei das einzige Land im Nahen Osten, in dem Christen frei leben könnten. Seine Position ist radikal. In Israel hört man solche Meinungen sonst nur aus dem rechten Lager. Und sie verschafft ihm Feinde: sowohl muslimische als auch christliche. Diese glauben, dass Shadi Khalloul mit seinem Vorgehen die gesamte arabische Minderheit in Israel schwächt. Shadi ist nicht sicher, wie weit die Feindschaft reicht. Deshalb trägt zur Sicherheit immer einer Pistole bei sich:

"Ich trage seit meinem Militärdienst 1998 immer eine Waffe bei mir. Denn die arabische Bevölkerung weiß, dass ich meinen Armeedienst absolviert habe. Als ein Bürger, natürlich, als ein Christ, der sein Land verteidigen will. Sie akzeptieren diese Entscheidung nicht, die Freiheit, die ich als Bürger dieses Landes habe. Deshalb habe ich die Waffe dabei, um mich zu verteidigen, das ist meine Einstellung im Leben."

Shadi Khalloul will sich von der arabischen Minderheit abgrenzen. Zu dieser Minderheit zählen Christen, Beduinen, Drusen, Tscherkessen und Muslime. Sie machen gut ein Viertel der Bevölkerung in Israel aus. Shadi Khalloul findet dafür Unterstützung im israelischen Parlament. Auch der Knesset-Abgeordnete Yariv Levin von der Likud Partei glaubt, dass die Regierung schon längst zwischen den verschiedenen Minderheiten in Israel hätte unterscheiden sollen. Er hat das erste Gesetz auf den Weg gebracht, das die Christen als eigenständige Minderheit anerkennt.

"Wir haben in Israel lange Zeit einen großen Fehler gemacht, dass wir alle Minderheiten in Israel in einen Topf geworfen und sie Araber genannt haben. Die Tatsache ist, dass sie sehr verschieden sind. Und was dann passiert ist, ist, dass die Mehrheit der Muslime die Repräsentation dieser Minderheit übernommen hat und daher meistens nur ihre Probleme und ihre Gruppe vertreten hat, während die anderen keine wirkliche Repräsentanz hatten."

Doch die Christen zieht es nicht nur aus ideologischen Gründen in die Armee. Denn während der zwei bis drei Jahre knüpfen sie Kontakte fürs Leben und sammeln Erfahrung für das Berufsleben.  Der Druse Ahmad Ramiz ist in der israelischen Armee für die Rekrutierung und die Eingliederung von Minderheiten verantwortlich. Die Drusen haben eine eigene Religion. Sie sind weder Christen noch Muslime, auch wenn ihre Wurzeln im Islam gründen. Für drusische Männer ist der Dienst in der israelischen Armee Pflicht.  Ahmad kennt die Vorteile. 

"Die Armee stärkt und bereitet die Soldaten auf den israelischen Arbeitsmarkt vor, denn sie dienen in einer Armee mit jüdischen Israelis, und in diesem militärischen Rahmen lernen sie Pünktlichkeit, Selbstständigkeit, körperliche und mentale Fitness und Entscheidungsfindung. Das ist das eine. Das andere ist, dass ehemalige Soldaten während des Studiums unterstützt werden, zum Beispiel durch verschiedene Stipendien. Um all das kümmert sich der Staat."

Die Christin Arin Sha’abi ist gleich Berufssoldatin geworden. Wo andere einen Widerspruch sehen – eine christliche Araberin, die muslimische Araber aus der Westbank anklagt – sieht Arin Sha’abi den Dienst für ihr Land. Christen aber zum Armeedienst zu verpflichten halten sie und die Mitglieder des Forums für falsch. Doch sich freiwillig zu melden soll zukünftig einfach werden. So versendet die Armee nun an junge Christen ein Schreiben, das sie einlädt, in der israelischen Armee ihren Dienst zu tun. Entscheiden kann dann immer noch jeder selbst, was für ihn am besten ist.

Von Lissy Kaufmann - Deutschlandradio Kultur

28.10.14

Heiliges Land: Die Gefahren für die Christen

von Pierre Rehov

 Wenn man im Nahen Osten jemanden nach der Bedeutung der Redewendung: "Erst die Samstagsleute, dann die Sonntagsleute" fragt, wird die Antwort mit einem Lächeln kommen: "Zuerst werden wir die los, die samstags beten und dann die, die sonntags beten."

Eine kürzlich vorgenommene Untersuchung ergab, dass die christliche Bevölkerung in Bethlehem von 90 Prozent im 19. Jahrhundert auf 60 Prozent in den 90er Jahren sank. Heute machen die Christen lediglich 10 Prozent der Bevölkerung aus. Was ist geschehen?

Natürlich sind in den 40er und 60er Jahren viele Christen aus Furcht vor dem Krieg geflohen, oder vielleicht auch auf Grund von massiver Anti-jüdischer Propaganda. Zu der Zeit litten die Christen bereits Diskriminierung durch Muslime und viele stellten sich auch der Wiedergeburt der jüdischen Nation entgegen. Ihre Einstellung - abgesehen von ihrem Glauben - wurde mehr von der örtlichen arabischen Kultur beeinflusst, als von europäischer Aufklärung.

Der eigentliche Niedergang der christlichen Bevölkerung jedoch, entstand als Nebeneffekt der Oslo-Verhandlungen. Ab dem Zeitpunkt, als Arafat und die PLO die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in der Westbank und in Gaza gründete, wurden die Christen verfolgt. 

Trotz des öffentlichen Vorzeigens offizieller Posten für Christen, wie z. B. Bethlehems Bürgermeister, lebten christliche Bewohner in der PA (unter ihnen Hanan Ashrawi, die erste gewählte Frau in der PA) als dimmis: Nach muslimischen Gesetz, zweite-Klasse Bürger, beschützt durch muslimische Autoritäten, solange sie bestimmte Regeln akzeptierten. Eine dieser Regeln verbietet es einem Christen, seinen Besitz - ein Geschäft oder ein Haus - an einen anderen Christen zu verkaufen, wenn er plant ins Ausland zu ziehen. Nur an Muslime. Aber das ist nur der Anfang.

Eine andere Praxis, die die PA anwandte, besonders während er zweiten Intifada Anfang 2000, war, sich in den Häusern der Christen zu verschanzen und von dort aus über das Tal auf die Häuser der Juden zu schießen. Was die israelischen Soldaten sehen, ist dann ein Blitz aus einer Gewehrmündung, das in einem Fenster erscheint und so erwidern sie den Beschuss und schießen zurück. Sie können nicht unterscheiden, ob es von einem "muslimischen" oder einem "christlichen" Fenster kommt. Die Christen also hatten es schließlich satt, beschossen zu werden und zogen aus -- und ihre Nachbarn zogen ein.

Während der Belagerung der Geburtskirche 2002, brauchten die Terroristen dieselbe Strategie, nämlich von der heiligsten Stätte der Christen in Bethlehem auf Israelische Truppen zu schießen und die Stätte innen zu entweihen. Nonnen und Priester riefen um Hilfe, aber niemand hörte sie. Solch eine Geschichte schlägt nur ein, wenn Israel die Schuld gegeben werden kann.

Zwei Jahre zuvor musste Papst Paul II bei seinem Besuch in Bethlehem, stumm die Schmach hinnehmen, dass er mitten in seiner Ansprache von dem Mufti mit dem lauten Aufruf zum Gebet unterbrochen wurde, obwohl es nicht einmal Zeit für das Gebet war. Die Szene hatte Italiens Rai 2 Sender gefilmt und auf Bitte des Vatikan wurde die Sequenz später aus den Archiven gelöscht. Ähnliche Vorgänge gab es während des Besuchs von Papst Franziskus, der angehalten wurde, einen Stopp bei der Sicherheitsmauer zu machen und dort zu beten, die kurz zuvor mit frischer hetzerischer Graffiti besprüht worden war. Dieser Halt war nicht Teil des offiziellen Protokolls, und wäre es auch nicht geworden, selbst wenn seine Delegation aus Höflichkeit darum hätte bitten dürfen. 

Jedenfalls verkündete 2006 Hassan El Masalmeh, ein Mitglied des Bethlehemer Gemeinderats, öffentlich sein Vorhaben, eine diskriminierende Steuer für alle nicht muslimischen Bewohner zu erheben. Diese Steuer namens "dschisiah", gibt es seit der Entstehung des Islam als ein Teil der "Dhimmi"-Gesetze, wie in vielen Ländern im Nahen Osten.

Jetzt haben sich viele christliche Familien bitter beklagt, dass ihre Töchter mit erzwungener Bekehrung zum Islam bedroht werden und, da sie nicht nach islamischer Sitte bedeckt genug bekleidet sind, oft Vergewaltigung zu erwarten haben. 

Offizielle Beschwerden gibt es allerdings, verständlicherweise, kaum. Nach Jahren der Verfolgung haben dhimmis Angst vor Vergeltung und stellen sich, wenn sie in ihren Gebieten und Ortschaften weiterhin leben wollen, wo sie für sich Frieden erhoffen, oft auf die Seite ihrer Verfolger.

In 2012, zum Beispiel, hatte die "Holy Land Christian Ecumenical Foundation" (Christliche ökumenische Stiftung im Heiligen Land), welche für ihre antisemitische Sichtweise bekannt ist, die Bewerbung des Landes "Palästina" für eine Mitgliedschaft in der UNO in Gänze befürwortet, indem sie eine Brief veröffentlicht hat, in dem Israel mit scharfen Worten verurteilt wird:
  • "Wir, die palästinensischen Christen, sind die Nachkommen der ersten Christen. Wir sind ein natürliches und integrales Bestandteil des palästinensischen Volkes. Und ebenso, wie unsere muslimischen Brüder und Schwestern, wurden wir unserer nationalen und menschlichen Rechte fast ein Jahrhundert lang beraubt ... Wir haben 64 Jahre lang Exil und Besetzung ausgehalten und an Seiner Botschaft des Friedens festgehalten. Wir, die palästinensischen Christen sagen: Genug! Unsere Botschaft ist einfach: Um den Frieden zu erlangen, muss die Welt auch "genug" zu Besatzung und Herabsetzung der menschlichen Würde sagen.
Andere christliche Persönlichkeiten, so wie der Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams und der Kardinal Cormac Murphy-O'Connor, verbergen ihren grundsätzlichen Antisemitismus gar nicht erst, wenn sie Juden (und sogar auch den Christen) die Schuld dafür geben, dass ihre Schäfchen unter der muslimischen Herrschaft leiden. Was man aus dem Brief nicht herauslesen kann, ist die Realität des Lebens in den meisten Gebieten der Palästinensischen Autonomie.

"Das ganze Gerede darüber, dass Israel hinter der Qual der Christen in den palästinensischen Gebieten stecke, ist völliger Quatsch", sagte ein christlicher Politiker, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. "Die Muslime schüchtern ein. Sie zünden unsere Geschäfte an, stehlen unsere Grundstücke. Sie bauen ihre Moscheen direkt neben unseren Kirchen und sorgen dann dafür, dass ihre lauten Gebetsrufe unsere Gottesdienste stören.
Sie greifen unsere Töchter an und beleidigen sie. Es gibt so viele Fälle von Vergewaltigung, die nie angezeigt worden sind. Die Familien verstecken die Sache aus Scham und ziehen dann weg. Sie fliehen."

2013 haben einige Familien aus Bethlehem und Ramallah schließlich einen Brief an den Präsidenten, Mahmoud Abbas, geschrieben. Mehr als 150 Angriffe auf christlichen Besitz sind dokumentiert und gemeldet worden, einschließlich Landdiebstahl, Zwangsbekehrungen, Todesdrohungen und physische Gewalt.

Weil aber unter Dhimmi-Gesetz Nichtmuslime, die unter muslimischer Herrschaft leben, nicht gegen Muslime aussagen dürfen, ist es geradezu unmöglich für Christen, deren Land gestohlen wurde oder deren Leben bedroht wurde, vor dem örtlichen Rechtssystem zu klagen. Viele, die es gewagt hatten, Beschwerde einzureichen, warten immer noch auf eine Antwort von den Behörden.
In der Zwischenzeit hört die christliche Bevölkerung innerhalb Israels nicht auf, anzusteigen und hat ungefähr die Zahl von 140.000 erreicht.


Es gibt einen orthodoxen Priester, Pater Gabriel Nadav, der kürzlich eine Organisation gegründet hat, die Registrierung von Christen in die israelische Armee (IDF) fördert. Die Zahlen sind von den Verteidigungskräften in Israel noch nicht veröffentlicht worden, aber hunderte Christen, die sich gemeldet haben, haben die Kampfverbände gewählt.

Eine israelische arabische Filmemachterin, Suha Arraf, hat neulich auf dem Filmfestival in Venedig ihr neuestes Werk präsentiert und bekam sehr viel Aufmerksamkeit für den Film "Palestinian", nachdem sie nahezu 400.000 US Dollar vom Israel Film Fund erhalten hatte. Der Film beschreibt angeblich das Leben einer christlichen Familie in Ramallah, die unter einer Identitätskrise leidet ... aufgrund der israelischen Besatzung.

Aber Suha Arraf ist nicht Palästinenserin, sie ist eine israelische christliche Araberin. Natürlich hat das israelische Kultusministerium, da es sich hier betrogen sah, den Preis zurückverlangt - denn der Sinn des Israel Film Funds ist, sich an Produktionen zu beteiligen, die eine eindeutige israelische Identität tragen.
Auf die diesbezügliche Frage der israelischen linksgerichteten Zeitung Haaretz in einem Interview mit der Filmemacherin, antwortete diese, sie sei Israelin, Christin und Araberin aber sie fühle sich als "Palästinenserin", wie die meisten Araber es tun würden, die in Israel leben.

Was Suha Arraf da in einer mehr oder weniger romantisierten Art beschreibt, würde wesentlich schrecklicher sein, wenn sie sich nur an die Fakten gehalten hätte und nicht die politisch korrekte Umschreibung wählte, indem sie die Araber in den Gebieten als die "unter der Besatzung leidenden" beschrieben hat.

Sicherlich gibt es eine Verbindung zwischen der Art, wie Christen in Israel trotz muslimischer und antisemitischer Propaganda behandelt werden und dieser zunehmenden Entschlossenheit, die Religion ihrer Wahl frei ausleben zu können: als christliche Israelis. Ganz bestimmt nicht als Palästinenser.

Tut mir leid, ihr, die ihr denkt, alle Araber in der PA würden unter "der Besatzung leiden". Ihr liegt alle falsch. 


   Pierre Rehov ist Reporter und Dokumentar Filmemacher. Er schuf zwei
   Filme  über die Situation der Christen im Nahen Osten: "Heiliges Land:
   Christen in Gefahr" und "Erst kommt Samstag, dann kommt Sonntag". 
 
GATESTONE

15.10.14

Christen in Gaza

Im Gazastreifen sind die Christen eine verschwindend kleine Minderheit; die meisten von ihnen leben in Gaza-Stadt. Es sind nur ca. 1335 Christen übrig geblieben. Die meisten von ihnen gehören zur griechischorthodoxen Kirche, 150 sind Katholiken, und die wiedergeborenen Christen sind etwa 70 – einige davon gehören zur Baptisten-Gemeinde. Es gibt über 30 Gläubige aus Gaza, die aus ganz verschiedenem Hintergrund gläubig wurden.


Noch vor ein paar Jahren hatte die Baptisten-Gemeinde rund 200 Mitglieder. Viele sind aber weggezogen, nachdem 2007 der Leiter der Bibelgesellschaft von islamistischen Militanten ermordet wurde. Anderen hat die Hamas-Regierung „geraten“, Gaza zu ihrer eigenen Sicherheit zu verlassen. 

Es läuft eine anhaltende Kampagne, um die christlichen Familien und Einzelne zum Islam zu bekehren. Muslime benutzen Verse aus dem Koran, in denen Christen als Ungläubige beschrieben werden. In den letzten 15 Jahren sind manche infolge heftiger Bedrohungen tatsächlich zum Islam übergetreten. 

Etliche Gemeindeglieder wurden zu Gewaltopfern, während sich palästinensische Fraktionen bekriegt haben, und zwei wurden im letzten Krieg getötet.

Der Lebensstandard der Christen ist ähnlich wie der vom Rest der Gaza-Bevölkerung – einige sind arm, Arbeiter, Gebildete, Händler, Ärzte, Ingenieure usw. Nach dem letzten Konflikt überlegen sich viele Christen ernsthaft, Wege zu finden, um ins Westjordanland oder in die USA
oder in europäische Länder zu ziehen. Die meisten Christen, die in Gaza leben, sind gegen den Krieg.
 

Ismail Haniyya, früherer Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiegebiete Hamas-Anführer, Chalid Maschal, politischer Führer der Hamas, lebt luxuriös im Gastgeberland Katar.

Aus Maoz

28.9.14

Israel ist der einzige Ort, wo Christen sicher sind!

Der griechisch-orthodoxe Priester Pater Gabriel Nadaf, Leiter der Aramäischen Christlichen Minderheit in Israel, sprach am 23. September 2014 vor dem UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) und zeigte dabei seine klare Unterstützung für den jüdischen Staat. 

Obwohl er vor einem Organ stand das in der Vergangenheit Israel immer wieder verurteilt hat - kürzlich berief es ein einseitiges Komitee zur Erforschung von "Kriegsverbrechen" Israels in Gaza und lobte die Menschenrechts-"Errungenschaften" des Hamas und IS unterstützenden Landes Katar - sprach Nadaf selbstsicher, rief die Welt auf, auf der Seite Israels gegen den Terror zu stehen.


"In den letzten zehn Jahren wurden überall im Nahen Osten jedes Jahr 100.000 Christen ermordet. Das bedeutet, dass alle fünf Minuten ein Christ wegen seines Glaubens getötet wird", berichtete Nadaf. "Die, die der Verfolgung muslimischer Extremisten entkommen können, sind geflohen... die, die bleiben, leben als zweite-, wenn nicht gar dritte-Klasse Bürger unter ihren muslimischen Herrschern.

Nadaf fuhr fort: "im Nahen Osten gibt es heute nur ein Land, wo Christen nicht nur nicht verfolgt werden, sondern ihnen von Herzen Redefreiheit, Freiheit, ihren Gottesdienst zu begehen und Sicherheit gewährt werden ... das ist Israel, der jüdische Staat. Israel ist der einzige Ort, wo Christen im Nahen Osten sicher sind."

Nadaf rief bei seiner Rede nach der Podiumsdiskussion über die "Menschenrechtssituation in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten", "es ist Zeit, das die Welt die Tatsachen wahrnehme, dass die, die den israelischen Staat zerstören wollen, das Todesurteil für die letzten freien Christen im Heiligen Land bedeuten."
"Führer der Völker, Friedenssucher, beendet eure Hexenjagd nach dem einzigen freien Land in der Region", sagte Nadaf und warf damit der UNHRC den Fehdehandschuh hin.

Pater Nadaf, ein Eingeborener Nazareths, der der Griechisch Orthodoxen Kirche in Yafia, nahe seiner Heimatstadt, vorsteht, hat sich - trotz starken Widerstandes der offiziellen Griechisch Orthodoxen Kirche und arabischen Knessetmitgliedern -  für eine intensive Verbindung zu Israel und einem Armeedienst für christliche Bürger eingesetzt.
Die Opposition gegen ihn ist so stark, dass das Griechisch Orthodoxe Patriarchat ihn aus der Verkündigungsbasilika in Nazareth verbannt hat und wiederholt droht ihn von seinem Posten in Yafia zu entlassen.  

Auch arabische Knessetmitglieder haben ihn verurteilt, indem sie ihn "Agent des Zionismus, der die Araber spalten will" nennen. Nadaf bekannte auch, dass ihm mit Gewalt und sogar dem Tod gedroht wurde, aber er besteht darauf, eine beträchtlichen Anteil der christlichen Gemeinschaft in Israel zu vertreten.

"Wir fühlen uns im israelischen Staat sicher", sagt Nadaf, "und wir sehen uns als Bürger eines Landes mit allen dazugehörigen Rechten und auch Pflichten."
Pater Nadafs Reise nach Genf wurde von "The Face of Israel" einer privaten Organisation, die Israel international fördert, arrangiert.23.9.2014
Virtual Jerusalem