4.5.14

Ein Segen für das Land

Sozialarbeit, Hilfe für Randständige, Kampf für Menschenrechte: Die wachsende Jesusgemeinde in Israel engagiert sich in vielfältiger Weise für das Land.

Von Susanne Wustl und Lisa Loden

Immer mehr Israelis erkennen in Jesus den in der Bibel verheißenen Messias. Die schätzungsweise 12 000 messianischen Juden Israels und die arabischen Christen haben über das eigentliche Gemeindeleben hinaus regen Anteil am gesellschaftlichen und politischen Leben des Landes. So setzen sich die in 120 Gemeinden organisierten messianischen Juden für sozial Benachteiligte ein, engagieren sich für Menschenrechte und beteiligen sich am Kampf gegen diskriminierende Gesetze.

Israel leidet an den Konflikten zwischen Juden und Arabern, zwischen Juden aus Osteuropa und solchen aus dem Nahen Osten, zwischen ultraorthodoxen Juden und säkular eingestellten. Und auch die Dauerbedrohung durch benachbarte Länder zermürbt die Menschen. Armut ist ein großes Problem in Israel. Von der Regierung veröffentlichte Statistiken belegen, dass ein Viertel der israelischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Mehr als ein Drittel der israelischen Kinder und 20 Prozent der Senioren leben in Armut. Davon sind auch viele Überlebende der Shoah betroffen. Diese soziale und politische Entwicklung blieb den messianisch-jüdischen Gemeinden im Land nicht verborgen und sie sehen einen geistlichen Auftrag darin, hier Verantwortung zu übernehmen. 

 
Von Eilat im Süden bis Kirjat Schmonah im Norden gibt es viele Gemeinden, die helfen wollen. In Israel ist es üblich, dass sich nahezu jede Gemeinde sozial engagiert. So hat die russisch-stämmige Gemeindebewegung Living Israel landesweit Drogenrehabilitationszentren gegründet und ist am Tel Aviver Busbahnhof, einem der sozialen Brennpunkte des Landes, aktiv.

Viele sind durchs soziale Raster gefallen und ins Elend gestürzt, das nirgenswo so sehr ins Auge sticht, wie hier in der Gegend um den alten zentralen Busbahnhof von Tel Aviv. Wer ihn noch in den 70er Jahren gesehen hat, wird ihn heute nicht mehr wiedererkennen: Aus Wohnraum wurden Bordelle, in Gassen und Hinterhöfen werden Drogen konsumiert und Gewalt ist allgegenwärtig – alles am helllichten Tag. Flüchtlinge leben als Obdachlose in den Straßen.

Hier engagiert sich besonders das Red Carpet Center, eine weitere Initiative messianischer Juden. Das Red Carpet Center ist eine Anlaufstelle für die hier Gestrandeten, meist sind es Prostituierte, viele von ihnen sind drogenabhängig.

Das Zentrum bietet den Frauen eine Pediküre und Maniküre an, hier bekommen sie ein warmes Essen, es eröffnet sich ein vertrauensvoller Rahmen für Gespräch und auch für Gebet. In einem Bericht der vom messianischen Israel College of the Bible herausgegebenen Zeitschrift Vehaskel heißt es: „Die Frauen sind Jüdinnen und Araberinnen, Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion …, ja sogar aus Europa und Fernost. Die meisten sind drogenabhängig und alle gehen auf den Strich. Auch Menschen aus der Transgender-Gruppe und sogar ein Homosexueller kamen ins Zentrum und wurden behandelt. Während der Behandlung haben wir Gelegenheit, ihnen zuzuhören, Rat zu geben, ihnen das Evangelium zu verkündigen ...“

Machaseh Association
Ein weiteres Beispiel gelebter Nächstenliebe ist die Sozialarbeit Machaseh in Jerusalem. Die Gründerin Lena Levin, selbst alleinerziehende Mutter von vier Kindern, bezeichnete dem Philippus-Dienst gegenüber, einem Versöhnungs- und Hilfswerk, welches arabische und jüdische Christen in Israel unterstützt, Machaseh als eine Zuflucht für Menschen, die sonst niemand mehr haben. Sie sieht ihre Berufung darin, die bedingungslose Liebe Gottes an alle Menschen weiterzugeben, ohne Ansehen der Person oder Religion. Sei es eine Speisung für Holocaustüberlebende , die Versorgung bitterarmer Familien oder auch Seelsorge und Gebet für Missbrauchte – dies alles bringt die aus Kiew eingewanderte Lena mit ihren ehrenamtlichen Helfern zuwege. Selbst Jerusalemer Gemeinden vertrauen traumatisierte Mitglieder der Fachkompetenz des Machaseh-Teams an.

Eine Betroffene schreibt über Machaseh: „Vor sieben Jahren bin ich von Ashdod nach Jerusalem gezogen. Ich wurde von meinem Mann geschlagen. Daher versuchte ich es allein. Ich hatte große wirtschaftliche Probleme. Ich wandte mich an die Sozialbehörden und bat sie, für meine Kinder zu sorgen und sie woanders unterzubringen … im Laufe der Zeit wurde ich emotional und körperlich immer schwächer … Dann kam ich in Kontakt mit Machaseh. Die Leiterin half mir und machte einen Plan mit mir, der Seelsorge, Gebet, Englischunterricht, Berufsberatung und Erziehungsberatung beinhaltete. Jetzt bin ich bald an meinem wichtigsten Ziel angelangt: meine Kinder zurückzubekommen und ihnen ein stabiles, gutes Zuhause zu geben. Mit der Hilfe von Machaseh habe ich vieles bewältigen können und heute studiere ich Jura ...“

Eine wichtige Rolle im christlich motivierten politisch-sozialen Engagement spielt auch das 2004 von dem jüdisch-messianischen Rechtsanwalt Calev Meyers gegründete Jerusalem Institute of Justice, JIJ (Jerusalemer Institut für Gerechtigkeit). Menschenrechtsfragen und die Fürsprache für die Schwachen stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten dieser Organisation. Der Einsatz für die Opfer von Menschenhandel sowie die aktive Unterstützung von Fördermaßnahmen für eingewanderte Äthiopier sind dafür zwei Beispiele. Calev Meyers begründet seine breit angelegte Arbeit für Ausgegrenzte und Benachteiligte im jüdischen Staat mit seinem Glauben.

Calev Meyers
Immer wieder stellt das JIJ diskriminierende Vorgehensweisen der Regierung innerhalb des israelischen demokratischen Systems in Frage. In den acht Jahren seines Bestehens war es mit mehr als 500 Fällen befasst, bei denen es nicht selten um die Wahrung der Religionsfreiheit ging. Durch Anrufung der Gerichte gelang es der Organisation, für „Gebetshäuser“ aller Glaubensrichtung eine Befreiung von Kommunalsteuern zu erwirken. Außerdem nimmt das Institut messianische Gläubige gegen die Anklage der illegalen Evangelisation in Schutz und verteidigt das Recht Geschiedener, ihre Kinder im messianisch-jüdischen Glauben zu erziehen.

 
Im vergangenen Jahr betrieb das Institut Lobbyarbeit für einen Gesetzentwurf, der es ermöglicht, Kunden Prostituierter strafrechtlich zu belangen. Schon in der ersten Lesung vor der Knesset wurde dieser Entwurf einstimmig verabschiedet.

Mit einer Petition an den Obersten Gerichtshof möchte das JIJ auf die Abschaffung des „Civil Union Law“ hinwirken, wodurch die Bürger das Recht bekämen, ungeachtet der Religion in Israel zu heiraten. Ein Erfolg dieser Campagne hätte große Auswirkungen auf die messianischen Juden, da viele Ehepaare in den Gemeinden aus einem jüdischen und einem nicht jüdischen Teil bestehen. Bisher müssen diese Paare für eine vom Staat rechtskräftig anerkannte Ehe noch im Ausland heiraten.

Neben diesen vielfältigen Einsätzen für Bürgerrechte und Gerechtigkeit erhebt das Institut seine Stimme auch für Israel selbst als Gegengewicht zu den antiisraelischen Vorurteilen in internationalen Kreisen und bedient sich unterschiedlicher Strategien, um dieses Ziel zu erreichen: pro-israelische Kundgebungen, Social-Media-Kampagnen, Weiterbildungen und Informationen für israelische Rechtsanwälte und Präsentationen vor hochrangigen Führungspersonen der US-Regierung oder Vertretern des Europäischen Parlaments. Calev Meyers hatte im Frühjahr 2012 – als mitten in der Finanzkrise von der EU eine weitere Milliarde Euro für die palästinensische Autonomiebehörde bereitgestellt werden sollte – EU-Parlamentariern einen Bericht vorgelegt, der die schweren Menschenrechtsverletzungen der palästinensischen Führung dokumentiert. Meyers konnte hohen EU-Vertretern darlegen, dass ihre finanzielle Unterstützung der PA in die Hände von Terroristen gelangt. 

 
Aus Sicht auch der palästinensischen Christen ist es völlig unverständlich, dass die EU die korrupten palästinensischen Behörden mit gewaltigen Summen unterstützt. Die führende Oberschicht würde sich bereichern während kaum Geld für die Infrastruktur oder Bildung investiert wird.
Wir hoffen, die EU stoppt diese Gelder oder achtet darauf, dass sie nicht in dunklen Kanälen verschwinden“, sagen sie.

Die vielfältige und wachsende christliche Gemeinde Israels – seien es messianische Juden, palästinensische oder russisch-stämmige Christen – versteckt sich nicht in einem geistlichen Elfenbeinturm, sondern übernimmt Verantwortung. Die Jesus-Nachfolger Israels sind ein Segen für das Land. Der Philippus-Dienst unterstützt sie in ihrem Engagement.
Wenn Jesus heute nach Israel käme, würde man ihn vielleicht im Bereich des Busbahnhofs von Tel Aviv oder in den Armensiedlungen von Jerusalem antreffen.

aus: Factum, aktuelles Heft 3/2014


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