Sozialarbeit,
Hilfe für Randständige, Kampf für Menschenrechte: Die wachsende
Jesusgemeinde in Israel engagiert sich in vielfältiger Weise für
das Land.
Von
Susanne Wustl und Lisa Loden
Immer
mehr Israelis erkennen in Jesus den in der Bibel verheißenen
Messias. Die schätzungsweise 12 000 messianischen Juden Israels und
die arabischen Christen haben über das eigentliche Gemeindeleben
hinaus regen Anteil am gesellschaftlichen und politischen Leben des
Landes. So setzen sich die in 120 Gemeinden organisierten
messianischen Juden für sozial Benachteiligte ein, engagieren sich
für Menschenrechte und beteiligen sich am Kampf gegen
diskriminierende Gesetze.
Israel
leidet an den Konflikten zwischen Juden und Arabern, zwischen Juden
aus Osteuropa und solchen aus dem Nahen Osten, zwischen
ultraorthodoxen Juden und säkular eingestellten. Und auch die
Dauerbedrohung durch benachbarte Länder zermürbt die Menschen.
Armut ist ein großes Problem in Israel. Von der Regierung
veröffentlichte Statistiken belegen, dass ein Viertel der
israelischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Mehr als ein
Drittel der israelischen Kinder und 20 Prozent der Senioren leben in
Armut. Davon sind auch viele Überlebende der Shoah betroffen. Diese
soziale und politische Entwicklung blieb den messianisch-jüdischen
Gemeinden im Land nicht verborgen und sie sehen einen geistlichen
Auftrag darin, hier Verantwortung zu übernehmen.
Von
Eilat im Süden bis Kirjat Schmonah im Norden gibt es viele
Gemeinden, die helfen wollen. In Israel ist es üblich, dass sich
nahezu jede Gemeinde sozial engagiert. So hat die russisch-stämmige
Gemeindebewegung Living Israel landesweit
Drogenrehabilitationszentren gegründet und ist am Tel Aviver
Busbahnhof, einem der sozialen Brennpunkte des Landes, aktiv.
Viele
sind durchs soziale Raster gefallen und ins Elend gestürzt, das
nirgenswo so sehr ins Auge sticht, wie hier in der Gegend um den
alten zentralen Busbahnhof von Tel Aviv. Wer ihn noch in den 70er
Jahren gesehen hat, wird ihn heute nicht mehr wiedererkennen: Aus
Wohnraum wurden Bordelle, in Gassen und Hinterhöfen werden Drogen
konsumiert und Gewalt ist allgegenwärtig – alles am helllichten
Tag. Flüchtlinge leben als Obdachlose in den Straßen.
Hier
engagiert sich besonders das Red Carpet Center, eine weitere
Initiative messianischer Juden. Das Red Carpet Center ist eine
Anlaufstelle für die hier Gestrandeten, meist sind es Prostituierte,
viele von ihnen sind drogenabhängig.
Das
Zentrum bietet den Frauen eine Pediküre und Maniküre an, hier
bekommen sie ein warmes Essen, es eröffnet sich ein vertrauensvoller
Rahmen für Gespräch und auch für Gebet. In einem Bericht der vom
messianischen Israel College of the Bible herausgegebenen
Zeitschrift Vehaskel heißt es: „Die Frauen sind Jüdinnen
und Araberinnen, Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion …, ja sogar
aus Europa und Fernost. Die meisten sind drogenabhängig und alle
gehen auf den Strich. Auch Menschen aus der Transgender-Gruppe und
sogar ein Homosexueller kamen ins Zentrum und wurden behandelt.
Während der Behandlung haben wir Gelegenheit, ihnen zuzuhören, Rat
zu geben, ihnen das Evangelium zu verkündigen ...“
Machaseh Association |
Ein
weiteres Beispiel gelebter Nächstenliebe ist die Sozialarbeit
Machaseh in Jerusalem. Die Gründerin Lena Levin, selbst
alleinerziehende Mutter von vier Kindern, bezeichnete dem
Philippus-Dienst gegenüber, einem Versöhnungs- und
Hilfswerk, welches arabische und jüdische Christen in Israel
unterstützt, Machaseh als eine Zuflucht für Menschen, die sonst
niemand mehr haben. Sie sieht ihre Berufung darin, die bedingungslose
Liebe Gottes an alle Menschen weiterzugeben, ohne Ansehen der Person
oder Religion. Sei es eine Speisung für Holocaustüberlebende , die
Versorgung bitterarmer Familien oder auch Seelsorge und Gebet für
Missbrauchte – dies alles bringt die aus Kiew eingewanderte Lena
mit ihren ehrenamtlichen Helfern zuwege. Selbst Jerusalemer Gemeinden
vertrauen traumatisierte Mitglieder der Fachkompetenz des
Machaseh-Teams an.
Eine
Betroffene schreibt über Machaseh: „Vor sieben Jahren bin ich von
Ashdod nach Jerusalem gezogen. Ich wurde von meinem Mann geschlagen.
Daher versuchte ich es allein. Ich hatte große wirtschaftliche
Probleme. Ich wandte mich an die Sozialbehörden und bat sie, für
meine Kinder zu sorgen und sie woanders unterzubringen … im Laufe
der Zeit wurde ich emotional und körperlich immer schwächer …
Dann kam ich in Kontakt mit Machaseh. Die Leiterin half mir und
machte einen Plan mit mir, der Seelsorge, Gebet, Englischunterricht,
Berufsberatung und Erziehungsberatung beinhaltete. Jetzt bin ich bald
an meinem wichtigsten Ziel angelangt: meine Kinder zurückzubekommen
und ihnen ein stabiles, gutes Zuhause zu geben. Mit der Hilfe von
Machaseh habe ich vieles bewältigen können und heute studiere ich
Jura ...“
Eine
wichtige Rolle im christlich motivierten politisch-sozialen
Engagement spielt auch das 2004 von dem jüdisch-messianischen
Rechtsanwalt Calev Meyers gegründete Jerusalem Institute of
Justice, JIJ (Jerusalemer Institut für Gerechtigkeit).
Menschenrechtsfragen und die Fürsprache für die Schwachen stehen im
Mittelpunkt der Aktivitäten dieser Organisation. Der Einsatz für
die Opfer von Menschenhandel sowie die aktive Unterstützung von
Fördermaßnahmen für eingewanderte Äthiopier sind dafür zwei
Beispiele. Calev Meyers begründet seine breit angelegte Arbeit für
Ausgegrenzte und Benachteiligte im jüdischen Staat mit seinem
Glauben.
Calev Meyers |
Immer
wieder stellt das JIJ
diskriminierende Vorgehensweisen der Regierung innerhalb des
israelischen demokratischen Systems in Frage. In den acht Jahren
seines Bestehens war es mit mehr als 500 Fällen befasst, bei denen
es nicht selten um die Wahrung der Religionsfreiheit ging. Durch
Anrufung der Gerichte gelang es der Organisation, für „Gebetshäuser“
aller Glaubensrichtung eine Befreiung von Kommunalsteuern zu
erwirken. Außerdem nimmt das Institut messianische Gläubige gegen
die Anklage der illegalen Evangelisation in Schutz und verteidigt das
Recht Geschiedener, ihre Kinder im messianisch-jüdischen Glauben zu
erziehen.
Im vergangenen Jahr betrieb das Institut Lobbyarbeit für einen Gesetzentwurf, der es ermöglicht, Kunden Prostituierter strafrechtlich zu belangen. Schon in der ersten Lesung vor der Knesset wurde dieser Entwurf einstimmig verabschiedet.
Mit
einer Petition an den Obersten Gerichtshof möchte das JIJ auf die
Abschaffung des „Civil Union Law“ hinwirken, wodurch die Bürger
das Recht bekämen, ungeachtet der Religion in Israel zu heiraten.
Ein Erfolg dieser Campagne hätte große Auswirkungen auf die
messianischen Juden, da viele Ehepaare in den Gemeinden aus einem
jüdischen und einem nicht jüdischen Teil bestehen. Bisher müssen
diese Paare für eine vom Staat rechtskräftig anerkannte Ehe noch im
Ausland heiraten.
Neben
diesen vielfältigen Einsätzen für Bürgerrechte und Gerechtigkeit
erhebt das Institut seine Stimme auch für Israel selbst als
Gegengewicht zu den antiisraelischen Vorurteilen in internationalen
Kreisen und bedient sich unterschiedlicher Strategien, um dieses Ziel
zu erreichen: pro-israelische Kundgebungen, Social-Media-Kampagnen,
Weiterbildungen und Informationen für israelische Rechtsanwälte und
Präsentationen vor hochrangigen Führungspersonen der US-Regierung
oder Vertretern des Europäischen Parlaments. Calev Meyers hatte im
Frühjahr 2012 – als mitten in der Finanzkrise von der EU eine
weitere Milliarde Euro für die palästinensische Autonomiebehörde
bereitgestellt werden sollte – EU-Parlamentariern einen Bericht
vorgelegt, der die schweren Menschenrechtsverletzungen der
palästinensischen Führung dokumentiert. Meyers konnte hohen
EU-Vertretern darlegen, dass ihre finanzielle Unterstützung der PA
in die Hände von Terroristen gelangt.
Aus
Sicht auch der palästinensischen Christen ist es völlig
unverständlich, dass die EU die korrupten palästinensischen
Behörden mit gewaltigen Summen unterstützt. Die führende
Oberschicht würde sich bereichern während kaum Geld für die
Infrastruktur oder Bildung investiert wird.
„Wir
hoffen, die EU stoppt diese Gelder oder achtet darauf, dass sie nicht
in dunklen Kanälen verschwinden“, sagen sie.
Die
vielfältige und wachsende christliche Gemeinde Israels – seien es
messianische Juden, palästinensische oder russisch-stämmige
Christen – versteckt sich nicht in einem geistlichen Elfenbeinturm,
sondern übernimmt Verantwortung. Die Jesus-Nachfolger Israels sind
ein Segen für das Land. Der Philippus-Dienst unterstützt sie
in ihrem Engagement.
Wenn
Jesus heute nach Israel käme, würde man ihn vielleicht im Bereich
des Busbahnhofs von Tel Aviv oder in den Armensiedlungen von
Jerusalem antreffen.
aus:
Factum,
aktuelles Heft 3/2014
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen