30.7.09

Brief an eine Jüdin

Liebe Ruth,

Ich bitte dich, mir zu verzeihen, dass ich mit meiner Antwort mal wieder so lang brauchte. Wir hatten letzte Woche unseren monatlichen Israel Stand in der Fußgängerzone. Da konnten wir wieder sehr gut mit den Menschen über Israel reden und Infos verteilen.

Was du mir geschrieben hast, Ruth, das hat mich sehr tief berührt. Ich kann verstehen, dass du leidest. Ich tue es auch. Ich kann manche Nachrichten kaum ertragen, so viel Hass, der über Juden und Israel ausgesprochen wird, so viel unerträgliche Gleichgültigkeit in unserem Land und solch himmelschreiende Ungerechtigkeit, wie Israel in der Welt beurteilt wird und wenn ich nur an Gilad Shalit denke, könnte ich weinen. Ich habe einen Sohn, der so alt ist, wie Shalit.

Warum das bei mir so ist? Es gibt dafür verschiedene Ursachen. Ganz unerklärlich ist für mich, dass Gott mir diese tiefe Liebe für die Juden und natürlich gleichweise für Israel ins Herz gelegt hat. Aber ich kann daran nichts ändern, es brennt in mir. Wenn ich mein blog „Leidenschaft für Israel“ nenne, dann meine ich das auch genau so. Ich habe als gläubige Christin die Bibel nicht nur gelesen sondern verstanden, was da im Alten Testament, der jüdischen Tanach, wirklich geschrieben steht. Eine einzige leidenschaftliche Liebesgeschichte zwischen einem eifersüchtigen, mächtigen und ebenso liebevoll, erbarmenden Schöpfer Gott und seinem auserwählten Volk, mit dem er, nach der Erlösung aus der Sklaverei, einen ewigen Liebesbund geschlossen hat. Und nicht nur, dass diese Liebesbeziehung ein Bild für die genauso intensive Beziehung von jedem von uns Gläubigen mit dem Vater im Himmel darstellt, es ist auch ein Bund, der nicht mit der Zerstörung des Tempels, oder dem Holocaust zu Ende ist, sondern der in die Zukunft reicht... man muss nur all die Propheten (Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Amos u.a.) lesen. Dann wird glasklar: Gott hat die Kontrolle über die Geschicke der Nationen, über die Feinde Israels, und er hat einen Plan mit Israel und seine Zusagen durch die Propheten sind noch gültig und er wird sein Wort ausführen.

Und das, Ruth, ist das Wunder vor unseren Augen: er führt aus, was er angekündigt hat. Die Gründung des Staates Israel ist ein wesentlicher Teil davon. Da steht z.B. in Hesekiel 37, 21: „Und rede zu ihnen: So spricht der Herr, HERR: Siehe, ich nehme die Söhne Israel aus den Nationen heraus, wohin sie gezogen sind, und ich sammle sie von allen Seiten und bringe sie in ihr Land. Und ich mache sie zu einer Nation im Land, auf den Bergen Israels, und ein einziger König wird für sie alle zum König sein; und sie sollen nicht mehr zu zwei Nationen werden und sollen sich künftig nicht mehr in zwei Königreiche teilen.“

Ist das nicht herrlich? Das ist so ein wunderbares Thema, da könnte ich seitenweise davon schwärmen! Viele Christen vernachlässigen das Alte Testament und entdecken daher nicht, das wir uns glücklich schätzen können, das Volk der Juden quasi als Brudervolk vor uns zu haben, und dass durch Gottes Initiative, wir „Goijm“ die Liebe Gottes erfahren durften, denn Jesus wurde als Jude geboren, wie du ja sicher weißt.

Dass ihr Juden das alles nicht so großartig findet, weil ihr seit Jahrhunderten mehr als die meisten Völker der Erde Verfolgung ertragen musstet – und immer noch müsst – ist mir natürlich klar. Schließlich hat Gott das Volk Izchak mit dem Segen und der Verheißung beglückt, die Nachkommen Ismails aber mit dem Reichtum der Erde (Öl usw). Aber wenn du mir diese Frage stellst, kann nur versuchen, dir aus der Bibel eine Erklärung zu geben, auch wenn die vielleicht nicht befriedigend ist.

Aber lass mich dir auch noch den anderen Grund meiner Liebe zu Israel erklären, und wieso ich als Deutsche bezüglich Antisemitismus sehr sensibilisiert bin. Ich habe mich vielleicht gar nicht so viel mehr mit der deutschen Geschichte befasst als andere auch. Ich habe natürlich einiges an Büchern über den Holocaust gelesen und Dokumentationen gesehen. Aber ich will es mal so ausdrücken: ich habe das Unfassbare verinnerlicht. Ich habe es für mich angenommen, akzeptiert, dass es unser Volk war, das dieses Unrecht geschehen ließ und sozusagen erkannt, dass mein Volk eine große Last der Schuld auf sich geladen hat. Ich denke, dass nur die Deutschen, die sich irgendwann ganz ernsthaft gefragt haben, „...wie hättest du in der unseligen Zeit reagiert... hättest du gegen das Unrecht protestiert, den Verfolgten geholfen, oder hättest du zugeschaut, wie die meisten...“. Natürlich ist das immer eine hypothetische Frage, die ohne Antwort bleibt. Aber dieses Akzeptieren und das „sich Hineinversetzen“ in die Zeit des Terrors, das glaube ich, ist, was man Verarbeiten der Schuld nennt.

Leider erwidern die meisten meiner Landsleute auf die Fragen zum Holocaust, dass sie damit nichts zu tun haben, dass sie damals nicht dabei waren und somit keine Schuld hätten. Das macht mich traurig, denn diese Gleichgültigkeit hat zur Folge, dass leider viel zu wenig Geschichte betrachtet, Fragen gestellt, Erinnerung wachgehalten wird, und vor allem der Jugend werden zu wenig die Lehren aus der Geschichte vermittelt. Das ist eine ganz ungute Entwicklung, denn so gewinnt der Antisemitismus in unserem Land wieder Freiraum, anzusteigen, und die Menschen sind nicht mehr sensibilisiert bzw restistent dagegen. Der andere ungute Effekt davon ist, dass die meisten, angeleitet von den Mainstream Medien (oder wie PI sie nennt: die Qualitätsmedien), es modern und passend finden, Israel, den Apartheidsstaat, der die armen Palästinenser unterdrückt und in Kriegen niedermetzelt........usw. du weißt schon.......zu kritisieren. Denn man wird doch die Regierung Israels kritisieren dürfen, sie sind doch eine Demokratie.....usw. Na, ja, darüber brauche ich dir ja nichts zu sagen.

Mit diesem psychologischen Trick des Gewissens, des Abwälzens der eigenen Schuld auf die ehemaligen Opfer und sie damit zu Tätern zu machen, um sich so möglicherweise von der eignen Schuld zu befreien, erwacht auf allen sozialen Ebenen in unserer Gesellschaft ein salonfähiger Antisemitismus, gekleidet in Antiisraelismus. Die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israels, an die nur noch wenige Politiker, wie Angela Merkel, erinnern, wird dabei ignoriert oder schlicht für verjährt erklärt. Denn Israel, vom Opfer- zum Tätervolk deklariert, hat die besorgte Aufmerksamkeit Deutschlands, verächtlich als Liebedienerei angesehen, nicht verdient.

Ja, und dann kommt noch eine Komponente dazu, die Öl im Feuer ist, nämlich die Sache mit dem zunehmenden Islam in Europa und in Deutschland. Den in ihrem heiligen Buch durch Gebot festgelegten Judenhass nehmen alle Muslime, die auch nur etwas Islam praktizieren, ja schon mit der Muttermilch in sich auf. Und so schlummert der Antisemitismus auch in den friedlichen moderaten Moslems, solange, bis sich der Konflikt im Nahen Osten wieder entzündet und es Zeit für alle Moslems wird, zu zeigen, auf welcher Seite sie stehen. Dann bricht der Antisemitismus auf den Demonstrationen, die ja dank unserer demokratischen Freiheiten überall auf den Straßen stattfinden können, ungehemmt aus den friedlichsten Moslems heraus. Die Deutschen, die ihren Judenhass noch nicht losgeworden sind, freut es: die moslemische Meute nimmt ihnen die Arbeit ab und entlastet zudem ihr Gewissen. Es sei denn, sie marschieren auf diesen Demos einfach mit, wo „Tod den Juden“ geschrieen wird.

Nonie Darwish erklärt uns, das die Menschen im Westen den Islam nicht verstehen, und sagt: „alle arabischen Diktatoren haben Interesse daran, das Palästinenserproblem aufrecht zu erhalten, um Israel immer für alles die Schuld zu geben.“ Bei uns in Deutschland werden sie bei diesem Vorhaben nicht gestört.

Ich denke, wir, die wir Israel lieben, dürfen nicht resignieren angesichts dieser Situation. Wir sollen weiter gegen den Strom schwimmen, Israel verteidigen, Juden beistehen und gegen die Ungerechtigkeit aufstehen. Auch wenn uns, was wir tun, wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein erscheint oder gar zwecklos. Was können wir schon tun, außer lesen, schreiben, reden, informieren, diskutieren und natürlich vor allem beten. Die Juden sind allein in der Welt. Aber das will ich so nicht stehen lassen. Denn sie haben mindestens zwei auf ihrer Seite: Gott, der der Hüter Israels ist, und mich, so lange ich atme.

Ich grüße dich mit dem Shalom des Friedefürsten

Mirjam

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