8.11.13

„Illegaler“ Wohnungsbau

von Ulrich W. Sahm

Reflexartig empört sich die Welt bei jeder Ankündigung neuer Siedlungswohnungen, ohne zu bemerken, dass die gleichen Wohnungen in früheren Planungsphasen längst angekündigt worden sind.

Was sind eigentlich „völkerrechtlich illegale jüdische Siedlungen“? Es gibt kein Völkerrecht, das Juden verbietet, irgendwo zu wohnen. Die Genfer Konvention von 1949 verbietet einem Besatzerstaat, seine Bevölkerung in besetztes Gebiet zu „deportieren oder zu transferieren“. So der bindende englische Wortlaut. Gemeint war das Vorgehen der Nazis in den Ostgebieten. Weil das mit Nahost nicht vergleichbar ist, hat das IKRK die Begriffe „deportieren“ und „transferieren“ in „Umsiedeln“ verwandelt. Niemand behauptet ernsthaft, dass die „extremistischen“ jüdischen Siedler unfreiwillig ins Westjordanland oder nach Ostjerusalem „deportiert“ worden seien. Da in vielen Siedlungen christliche Familien und Palästinenser leben, ist auch das Wort „jüdisch“ problematisch. Korrekter wäre es, sie „israelisch“ zu nennen.

Die Besetzten Gebiete gehören keinem Souverän - (Maale Adumim)
 „Siedlungen“ sind Wohnviertel mit 70.000 Einwohnern in Jerusalem, die Universitätsstadt Ariel, Dörfer und Städte mit Industrievierteln und Wohnsilos. Israelische Rechtsexperten wie Alan Baker behaupten, dass die Konvention auf Israel nicht angewandt werden könne, weil die besetzten Gebiete keinem Souverän gehören. Die Ägypter hatten den Gazastreifen bis 1967 nur „verwaltet“. Cis-Jordanien ist vom Königreich Jordanien erst besetzt und dann „völkerrechtswidrig“ annektiert worden. Palästinensische Souveränität steht noch aus. Ob ein palästinensischer Staat entsteht und welche Gebiete Palästina oder Israel zugeschlagen werden, muss durch Verhandlungen geklärt werden. Sowie sich Israel und Palästinenser auf eine Grenze geeinigt haben, wäre automatisch auch die Siedlungsfrage geklärt.

Für Frieden mit Ägypten hat Israel 1982 alle Siedlungen im Sinai geräumt, darunter die Stadt Jamit. 2005 hat sich Israel aus dem Gazastreifen zurückgezogen. Dabei wurden alle 8.000 Siedler nach Israel geholt. Gleichzeitig hat Israel seine Siedlungen im nördlichen Cisjordanien geräumt.
Die ersten „Siedlungen“ entstanden nach dem 6-Tage-Krieg von 1967 als eine Erfindung der linken Arbeiterpartei. Nach dem dreifachen Nein der arabischen Liga in Khartum – „kein Frieden, keine Anerkennung, keine Verhandlungen mit Israel“ – war klar, dass Israel auf den besetzten Gebieten sitzen bleiben würde. Um Hunderttausende feindselig gesinnte Araber zu kontrollieren, kam mangels Soldaten die Idee auf, Zivilisten an strategischen Stellen zu positionieren.

Der 1967 begonnene Bau riesiger Wohnviertel (Siedlungen) in Jerusalem sollte es unmöglich machen die Stadt jemals wieder zu teilen. Das hat für Juden emotionale, religiöse und nationale Gründe, die weder von Moslems noch von der „christlichen Welt“ geteilt werden. Mit der Wahl Menachem Begins 1977 begann eine religiös motivierte Siedlungspolitik.

Heute vertrauen die Linken auf palästinensischen „Friedenswillen“, trotz zweifacher Intifada, Tausenden Toten und Drohungen, den jüdischen Staat Israel zu zerstören. Die Rechten sehen das „verheißene Land“, haben kein Vertrauen in die Araber und meinen, dass Israel nur mit Kontrolle über die Palästinenser überleben könne. Die Palästinenser wiederum halten ihre Ansprüche auf Ostjerusalem mitsamt allen Heiligen Stätten für verbrieftes Recht und bauen ihrerseits „illegal“, ohne Baugenehmigung. Mitten in Jerusalem.
Palästinensische Siedlung (?) ohne Genehmigung in Jerusalem errichtet (Silwan)
Ein Tipp für politische Aktivisten aller Seiten: Seit dem 2. Weltkrieg ist in Europa kein Friedensvertrag unterzeichnet worden. Die Auflösung Jugoslawiens mit mehr Toten als in allen Nahostkriegen zusammengenommen, das besetzte Nordirland und die Spaltung Zyperns sind Beispiele für ungelöste Probleme. Es gibt genug zu tun.

Keine Kommentare: