Nazareths
schwindende christliche Bevölkerung - zerrissen zwischen Wegzug und
Kampf
Die diesen
Monat stattfindende Kommunalwahl unterstreichen die trostlosen und
bitteren Rivalitäten in der Stadt von Jesu Kindheit.
Kann
aus Nazareth etwas Gutes kommen? Fragte sich Natanael, ein Jünger
Jesu, im Evangelium von Johannes. Dieselbe Frage heute gestellt,
würde viele der Bewohner der Stadt schwer unter Druck bringen.
Die
anstehenden Gemeinderatswahlen, die am 22. Oktober geplant sind (Anmerk.: Aktuelles über die Wahl, siehe unten),
treffen eine verarmte und niedergedrückte arabische Stadt in Israel
an.
Eine landesweite Studie, die das Ministerium für öffentliche
Sicherheit im August durchführte, deckte auf, dass die Bewohner
Nazareths die Israelis sind, die am meisten Angst haben, Opfer eines
Verbrechens zu werden. Man fand auch, dass hier, zusammen mit
Bewohnern von Verbrechen-heimgesuchten Städten, wie Ramle und Lod,
das geringste Gefühl für persönliche Sicherheit besteht.
„Die
Dinge haben sich verschlechtert in dieser Stadt“, sagt eine ältere
Frau, eine Kette mit einem goldenen Kreuz um den Hals, die an diesem
Tag auf Nazareths Hauptstraße unterwegs ist. „Keiner der Leute
hier bekommen irgendwelche Hilfe – weder von der Gemeinde, noch von
der Regierung, noch von der Polizei.“
Wie sein christlicher Zwilling,
Bethlehem, in der West Bank, hat auch Nazareths demographische
Zusammensetzung in den letzten sechs Jahrzehnten einen dramatischen
Wandel erlebt, eine Tatsache, die manche Einwohner an dem sich
verschlechterten Sinn für Sicherheit und an der allgemeinen
„niedrigen Lebensqualität“ festmachen. Die Stadt war vor 1948
eine Stadt mit einer großen christlichen Mehrheit, heute sind 70
Prozent von Nazareths 80 000 Einwohnern Muslime. Die Veränderung
begann schon zur Zeit von Israels Unabhängigkeitskrieg, als sich ein
Strom von inländisch vertriebenen Dorfbewohnern in Nazareth
niederließen. Die Forscher der Studie sehen aber auch eine höhere
Geburtenrate der Muslime.
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Islamische Banner im Eingangsbereich vor der Verkündigungsbasilika in Nazareth mit Koranversen: "Sag: Er ist Allah, der Einzige, Allah der Ewige, Absolute, er hat nicht gezeugt noch wurde er gezeugt, und keiner ist ihm gleich." (gesehen 2010) |
Religiöse Spannungen traten in
den frühen 2000er Jahren in den Vordergrund, als die ortsansässigen
Muslime eine neue Moschee nahe der Verkündigungs-Basilika, dem
überragenden christlichen Wahrzeichen der Stadt, zu bauen anfingen.
Anfang 2002 beschloss die Regierung, die Bautätigkeiten auf der
Baustelle, die über dem Grab von Schihab A-Din, dem Neffen Saladins,
lag, auf Grund massiven Drucks von Seiten des Vatikans, zu stoppen.
Die Muslime waren von diesem Schritt erzürnt, leisteten jedoch wenig
Widerstand, als im Jahr darauf ein illegaler Bau auf genau diesem
Platz niedergewalzt wurde.
Rames Jareisi, der
kommunistische, christliche Bürgermeister der Stadt, der bald 20
Jahre im Amt ist, spielt Konfessionalismus als maßgeblichen Faktor
in Nazareth herunter. Tawfik Sayyad, sein Vorgänger im Amt, der 1994
bei einem Autounfall ums Leben kam, war ein Moslem, bemerkt er.
Während des ganzen letzten Jahrhunderts regierten christliche und
muslimische Bürgermeister die Stadt, ohne der religiösen
Ausrichtungen ihrer Untergebenen großartig Bedeutung beizumessen.
„
Ich bin viermal durch direkte
Wahlen von beiden, Muslimen und Christen, gewählt worden“, sagte
Jareisi. „Manche Leute benützen Religion, um politische Ziele zu
erreichen. Wir haben keinerlei religiöse Auseinandersetzungen
außerhalb kleiner fundamentalistischer muslimischer und christlicher
Gruppen. Aber die sind eine sehr kleine Minorität.“
Ein Mitglied dieser „sehr
kleinen Minoritäten“ ist der Bürger Bshara Schlayan, ein
pensionierter Kapitän der israelischen Handelsmarine, der dabei ist,
eine politische Partei für christliche Araber in Israel zu gründen.
Die Partei, so Schlayan, zielt darauf ab, einer, wie er es nennt,
allmählichen Beanspruchung von Nazareths historischen christlichen
Symbolen durch die städtische muslimische Mehrheit,
entgegenzutreten.
„
An der 'Marienquelle' war
immer ein großes blaues Schild angebracht, das seine Geschichte
erklärte. Sie entfernten das Zeichen, um jegliche Spur des
Christentums auszulöschen und nannten die Quelle 'Nazareth Strom'.
Warum? Andere mögen das unwichtig finden, ich betrachte es als
wesentlich.“
(die
Marienquelle ist eine unterirdische Wasserquelle, und war in
vergangenen Jahrhunderten die einzige Wasserquelle für die Bewohner
Nazareths. In der Nähe des Ortes der Verkündigung gelegen, ist sie
mit hoher Wahrscheinlichkeit der Ort, an dem Maria Wasser für die
heilige Familie geschöpft hat. Anmerk. d. Übers.)
Schlayan meint, um das Problem
der Christenabwanderung aus der Stadt zu lösen, braucht es mehr, als
nur einen christlichen Bürgermeister zu wählen. Veränderung, meint
er, muss von der Knesset kommen, bevor „alle Christen der Stadt
weggehen, weil die Banden Schutzgeld verlangen.“
Jareisi sagt, Schlayan sei ein
„Kollaborateur“, der mit den israelischen Behörden
zusammenarbeitet und danach trachtet, unnötige Spannungen zwischen
Christen und Muslimen in der Stadt zu schaffen. „Es wird ihm nicht
gelingen“, erklärt der Bürgermeister.
Aber Schlayan ist nicht der
einzige Christ in der Stadt, der offen seine Meinung sagt. Ibrahim
hat nur noch gewartet, bis sein Sohn das christliche Gymnasium in der
Stadt fertigmachte, dann verließ er Nazaret vor 14 Jahren, um ins
nahegelegene Obere Nazareth zu ziehen – und er schaute nie mehr
zurück. „Wenn du mir ganz Nazareth umsonst geben würdest, würde
ich nicht zurückkommen“, sagt Ibrahim und fügt hinzu, dass er
neulich sein Mehrfamilienhaus in der muslimischen Nachbarschaft,
Jabal Hammudeh, verkauft hat. „ Wir haben es dort mit Rassismus
Problemen zu tun. Fast in jeder Wohnung des Hauses gibt es illegale
Waffen.
Die Religion spielt schon eine
große Rolle in Nazareth. Als die Christen noch in der Mehrheit
waren, gab es keine Probleme... unsere Mentalität ist eher
europäisch und unsere Religion sag: 'liebt einander!'. Ibrahim
erklärt, dass seine neuen jüdischen Nachbarn in Ober-Nazareth sehr
freundlich sind, solange man mit ihnen nicht über Politik spricht.
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Vor der Verkündigungsbasilika: "Wer immer eine andere Religion sucht als den Islam, wir von Ihm nicht angenommen, er wird künftig einer der Verlierer sein." (gesehen 2010) |
Hanin Zoabi, umstrittenes
Mitglied der Knesset von der arabischen Nationalistischen Partei
„Balad“, ist Ende August in den Wahlkampf um den Posten des
Bürgermeisters eingestiegen. Zoabi, nicht-gläubige Muslimin – die
2010 auf der Mavi Marmara nach Gaza mitgefahren war und das
israelische Militär für das Abfangen des Schiffes geißelte, dann
erst nach Einschalten des Gerichts für
die Kandidatur für die Knesset zugelassen wurde – anerkannte,
dass Christen in größerer Zahl als Muslime aus Nazareth
abwanderten, schrieb das aber einem allgemein höheren
sozioökonomischen Niveau der Christen zu.
„
Muslime möchten genauso
dringend Nazareth verlassen, wie Christen“, sagt sie. „Christen
ziehen nicht nach Ober-Nazareth, weil sie dort willkommener sind als
Muslime... für den Staat Israel bist du, wenn du kein Jude bist,
entweder Ausländer oder eine Bedrohung.“ Indem er eine Christliche
Partei gründete, fügt Zoabi hinzu, „verkaufte Schlayan seine Ehre
und sein Land!“
Aber der christliche
Marinekapitän nimmt diese Kritik unbeschadet auf. Während er jetzt
auf die Papiere für die neue Partei wartete, wandte er sich neulich
an den Minister für Tourismus Usi Landau mit der Bitte, die größte
Jesus-Statue der Welt auf den „Berg des Abgrunds“ zu stellen, wo
– nach christlicher Tradition – die ungläubigen Einwohner
Nazareths versucht hatten, ihren Erlöser in den Tod zu stürzen, was
misslang.
Original: Nazareth’s dwindling Christian populace torn between moving out, fighting back
aus Times of Israel
Wie die Zeitung
„TheChristianPost“ am 23. Oktober berichtet, ist die israelische
arabische Politikerin Hanin Soabi im Wahlkampf um Nazareths
Bürgermeisteramt, nach 20 Jahren Regierung durch Rames Jareisi,
gescheitert. Sie hatte mit 3812 Stimmen nicht die Prozentzahl
Jareisis von 43,37 % erreicht.
Soabi hat einen Sitz in Israels
Parlament, der Knesset, tut sich aber permanent als Kritikerin ihrer
Regierung hervor und spornt ihre arabischen, vor allem muslimischen
Landsleute an, sich nicht mit den Gegebenheiten in Israel zufrieden
zu geben, nicht allzuviel Sympathien zu entwickeln und nicht auch noch
dankbar zu sein, dass sie 1948 nicht aus dem Land vertrieben wurden.