von Clemens Wergin
Man hat sich ja längst an die antiisraelische
Grundströmung der Vereinten Nationen (UN) und ihrer diversen Unterorganisationen
gewöhnt. Aber die Aufnahme der Palästinensergebiete als Vollmitglied in die
Unesco ist doch noch einmal ein besonderes Kapitel aus dem UN-Tollhaus.
Während der Antrag der
Palästinenser auf Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen noch auf dem
Verfahrensweg ist und im UN-Sicherheitsrat bestimmt kassiert werden wird,
schafft die Unesco, eine Untereinheit der Weltorganisation, schon einmal Fakten.
Das ist ungefähr so, als hätte das Saarland den syrischen Übergangsrat als
legitime Regierung Syriens anerkannt, während die Bundesregierung sich diesem
Schritt verweigert.
Aber damit ist der Spaß noch nicht zu Ende: Um
ihrer üblichen ideologischen Agenda in Sachen Nahost-Konflikt zu folgen,
riskiert die Unesco sogar die
Arbeitsunfähigkeit. Schließlich hatte
der US-Kongress vorher klargemacht, dass es kein Geld amerikanischer
Steuerzahler geben wird für UN-Organisationen, die einen Palästinenserstaat
anerkennen, bevor es zu einer Friedenslösung zwischen den nahöstlichen
Konfliktparteien gekommen ist. Ohne den 22-prozentigen Anteil der Amerikaner ist
das laufende Budget der Organisation aber kaum zu finanzieren.
Über die Hintertür der UN einen Staat zu
erheischen
Weil es inzwischen auch in Europa einige
Verwirrung gibt über das Anliegen der Palästinenser, quasi über die Hintertür
der UN einen Staat zu erheischen, ohne dafür die eigentlich notwendigen
Konzessionen machen zu müssen, lohnt es sich, sowohl die juristische als auch
die politische Seite dieser Aktion noch einmal zu beleuchten.
Rechtlich gesehen verstößt die Aufnahme der
Palästinensergebiete in die UN gegen maßgebliche UN-Sicherheitsratsresolutionen
zum Konflikt (Resolution 242 und 338), die stets betont haben, dass eine
Friedenslösung mit gerechten und sicheren Grenzen auf dem Verhandlungsweg
erzielt werden muss.
Das palästinensische Anliegen verstößt aber auch
gegen die Bestimmungen der Osloer Verträge mit Israel. Dort heißt es
ausdrücklich, dass beide Seiten jede Maßnahme unterlassen, die den Status der
Westbank und Gazas verändern, bevor eine endgültige Friedenslösung gefunden ist.
Es lohnt sich, im Vergleich dazu die Haltung der
internationalen Gemeinschaft zum Siedlungsbau zu betrachten. Der verstößt gegen
den Geist des Abkommens, wenn auch nicht gegen seine konkreten Buchstaben (die
Palästinenser hatten sich damals nicht mit der Forderung durchsetzen können,
dass der Siedlungsbau auch in der von Israel verwalteten ZoneC der Westbank zu
unterbleiben habe). Dementsprechend wird er zu Recht immer wieder als
kontraproduktiv für den Friedensprozess kritisiert.
Deutlicher kann man Doppelmoral nicht auf den
Punkt bringen
Der Versuch der Palästinenser, staatliche
Anerkennung vor einer Friedenslösung zu erreichen, verstößt jedoch sowohl gegen
den Geist wie auch gegen den expliziten Wortlaut der Osloer Verträge. Und Teile
der UN wie auch manche EU-Staaten gehen dagegen nicht etwa mit derselben Verve
vor wie gegen den israelischen Siedlungsbau, sie machen sich sogar zu Komplizen
dieser Vertragsverstöße. Und das, obwohl sowohl die UN als auch die EU
Mitgaranten dieser Beschlüsse waren. Deutlicher kann man die Doppelmoral in
Sachen Nahost eigentlich nicht auf den Punkt bringen.
Ähnlich verhält es sich mit der politischen
Botschaft, die von dem palästinensischen Beitrittsgesuch ausgeht. Stellt das
doch den Versuch dar, einen Staat zu bekommen, ohne die dafür nötigen
Kompromisse eingehen zu müssen. Zweimal schon standen beide Seiten kurz vor
einem Friedensschluss: Zuerst 2000 in Camp David in den Verhandlungen zwischen
Jassir Arafat und Ehud Barak, und dann 2008 in den Gesprächen zwischen der
Regierung von Ehud Olmert und Mahmud Abbas.
Beide Male lagen weitgehende Vorschläge von
israelischer Seite auf dem Tisch, die einen Friedensschluss möglich gemacht
hätten. Beide Male fehlte es den palästinensischen Partnern am letzten Mut, zu
springen – aus guten und aus weniger guten Gründen. Natürlich kann man die
Frustration der Palästinenser nachvollziehen, die glauben, mit der Regierung von
Benjamin Netanjahu und Avigdor Lieberman nicht vorankommen zu können. Aber so
ist das eben mit verpassten Chancen: Manchmal dauert es eine Weile, bis sie sich
wieder eröffnen. Wer bei einem Barak oder Olmert nicht einschlägt, muss dann
eben auch einen Netanjahu ertragen. Das sind die Gesetzmäßigkeiten von
Demokratien.
Freie Welt wieder einmal am Nasenring durch die
Manege geführt
Nun hat Abbas jedoch den einfachen Weg über die
UN gewählt, weil jeder weiß, dass man dort immer eine antiisraelische Mehrheit
zusammenbekommt, ohne sich groß anstrengen zu müssen. Es ist richtig, dass
sowohl die amerikanische als auch die deutsche Regierung sich dieser
palästinensischen Strategie des geringsten Widerstandes entgegenstellen.
Man wünschte sich jedoch, dass Berlin den
Amerikanern folgte und den Vereinten Nationen ebenfalls mit dem Entzug von
Finanzmittel drohte. Denn das ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie die
UN funktionieren.
Dort lässt man sich das Budget gerne von den
wohlhabenden westlichen Ländern bestreiten, im Zweifel findet sich dann aber
immer eine Mehrheit undemokratischer Staaten, wenn es darum geht, die freie Welt
wieder einmal am Nasenring durch die Manege zu führen oder irgendwelche obskuren
antiimperialistischen Agenden abzuarbeiten. Ganz zu schweigen von der
Israel-Obsession des mit Menschenrechtsverbrechern besetzten
UN-Menschenrechtsrats.
Die UN sind ein in Teilen zutiefst verlotterter,
mehrheitlich undemokratischer und antiwestlicher Haufen. Und man wünschte sich,
dass es nicht immer nur die Amerikaner sind, die das deutlich aussprechen und
sich nicht alles bieten lassen wollen. Wenn jetzt aus der deutschen Opposition
der Vorwurf kommt, Berlin hätte mit seiner Haltung eine gemeinsame europäische
Linie torpediert, dann lässt sich dazu nur sagen: Deutschland steht mit seiner
Entscheidung – anders als bei der Libyen-Intervention – auf der richtigen Seite
– und auf dem Boden der Osloer Verträge. Und die bilden immer noch die beste
Basis für eine Friedenslösung in Nahost.
Clemens Wergin -
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