23.12.14

Palästinenser, die Israel lieben - Interview mit Naim Khoury

Bethlehemer Pastor:

Es gibt Palästinenser, die Israel lieben

Naim Khoury ist Direktor der Holy Land Mission und Pastor der First Baptist Church in Bethlehem. Schon oft hat er mutig Dinge beim Namen genannt. Israel Heute-Korrespondent Ryan Jones hat mit ihm über die Situation in Bethlehem gesprochen, die wachsende christliche Opposition gegen Israel, der sich sogar einige aus der messianischen Gemeinde anschließen, und wie Gläubige von außerhalb den Konflikt besser verstehen können.


Israel Heute: Wie sieht die Situation für Christen in Bethlehem momentan aus?

Dr. Naim Khoury: Es wird von Jahr zu Jahr schwerer. Das hat verschiedene Gründe. Die schlechte Wirtschaft, unter der jeder leidet, besonders die Christen, und wegen der viele auswandern. So viele Christen verlassen Bethlehem, und das ist schlecht für die ganze Gemeinde. Viele gehen auch wegender politischen Situation, die immer schlimmer wird, sowohl von innen als auch von außen. Der politische Apparat (der Palästinensischen Autonomiebehörde) funktioniert nicht, er hilft dem eigenen Volk nicht.

Von außen versuchen die Israelis, ihre Grenzen zu sichern, um sich vor Selbstmordanschlägen zu schützen. Und in dieser schweren Zeit fehlt jegliche Unterstützung seitens der „Mutterkirche“. Die Weltkirche hat sich in Zeiten der Not nicht zu den Christen in Bethlehem gestellt. Viele in der Weltkirche würden sagen, dass sie an der Seite der Christen in Bethlehem stehen, indem sie gegen Israel sind. Israel für alles verantwortlich machen, funktioniert nicht. So kann man keine Saat des Friedens säen. So sollten Christen nicht handeln.

Christen müssen die Saat des Friedens und der Liebe und der Harmonie in die Herzen und Gedanken der Menschen säen. Wir müssen die Mentalität verändern. Die alle zwei Jahre stattfindende „Christus am Checkpoint“-Konferenz am Bethlehemer Bible College schlägt einen anderen Kurs ein. Es steht ihnen frei, zu denken und zu sagen, was sie wollen. Ich nehme an dieser Konferenz nicht teil, ich bin sogar dagegen, weil sie nicht biblisch fundiert ist. Dort sind Wölfe im Schafspelz, die Politik spielen.

Als bibelgläubiger, evangelikaler Christ, der sich auf das ganze Wort Gottes stellt, denke ich, dass man nicht politisch involviert sein sollte. Die Bibel als Ganzes, also Altes und Neues Testament, ist die wahre Antwort auf unsere Situation. Diejenigen bei „Christus am Checkpoint“ gehen zum Checkpoint und demonstrieren gegen Israel, aber das ist nicht der rechte Umgang mit der Situation. Man sollte den Titel ändern. „Christus am Checkpoint“ ist politisch, nicht biblisch. Die Botschaft bei „Christus am Checkpoint“ ist, dass christliche Zionisten sich politisch engagieren, und zwar im Widerspruch zur Bibel.


Jeder israelfreundliche Christ aus dem Ausland, dem ich begegne, bezieht seine Einstellung aus dem Wort und dem Bund Gottes. Die andere Seite bezieht ihre Position auf die Ersatztheologie. Vor ein paar Jahren habe ich mich einmal damit beschäftigt und herausgefunden, dass die meisten palästinensischen Christen und Kirchen sich auf die Ersatztheologie stützen.

Das ist so, weil sie sich mit Politik beschäftigen. Ich betrachte diejenigen, die biblisch an der Seite Israels stehen, nicht als politisch.

Trotzdem wird argumentiert, dass Christen Israel blind unterstützen.

Israel ist nicht perfekt. Keine Nation ist das. Das heißt aber nicht, dass ich die grundlegenden Lehren meines Glaubens im Bezug auf das Wort Gottes in Abrede stellen muss.

Heißt das, als palästinensischer christlicher Leiter sehen Sie eine Verbindung zwischen der Bibel und dem modernen Staat Israel?

Ja. Biblisch gesehen gibt es daran keinen Zweifel. Ich muss das akzeptieren, weil man nicht einen Teil der Bibel akzeptieren und den Rest verleugnen kann. Ich glaube an die ganze Bibel als unfehlbares, von Gott inspiriertes Wort. Und das ist auch meine Antwort an jene, die den Staat Israel nicht akzeptieren oder die Ersatztheologie benutzen, um zusagen, die Kirche habe Israel ersetzt. Diese Leute müssen ihre Bibel lesen. Die Kapitel 9 bis 11 des Römerbriefs sprechen davon, dass Gott Israel nicht fallengelassen hat. Der Bund und die Verheißungen sind noch immer von Bedeutung. Und das ist biblisch, nicht politisch.

Jassir Arafat hat jedes Mal zu Weihnachten verkündet, dass Jesus Palästinenser gewesen sei. Hat sich seine Botschaft bei jungen palästinensischen Christen festsetzen können?

Zu glauben, dass Jesus ein Palästinenser war, ist aus historischen Gründen einfach nicht möglich. Seit es die Palästinensische Autonomiebehörde in Bethlehem und der Region gibt, wurde Weihnachten immer mehr zu einer nationalen Veranstaltung. Das ist etwas anderes als ein religiöses Fest. In Bethlehem begegnet einem der Weihnachtsmann und lauter Schneemänner, aber man hört nichts über Jesus. Und die jungen Leute wissen es nicht besser. Oder es interessiert sie einfach nicht. Sie freuen sich über den Feiertag, aber ich habe keinen getroffen, der wirklich versteht, worum es geht.

Sie legen Jesus eine Kaffijeh (Palästinensertuch) an. Das ist bloß eine symbolische Geste, aber sie verstehen nicht, was sie tun.

Haben Sie Angst davor, dass die Verfolgung, der die Christen in Syrien und im Irak ausgesetzt sind, auch Christen im Heiligen Land erreichen könnte?

Bis jetzt sehe ich keine Bedrohung in dieser Hinsicht, und das nur angesichts der Existenz des Staates Israel. Der sicherste Ort für Christen ist hier, weil Israel weder dem IS noch irgendeiner anderen Terrorgruppe erlauben wird, Christen in diesem Land zu ermorden.

Eine aktuelle Umfrage hat ergeben, dass 77 Prozent der Araber in der Region lieber unter israelischer Herrschaft leben würden als in einem palästinensischen Staat.

Vielleicht sogar noch mehr. Einige haben Angst, das auszusprechen.
Seien wir ehrlich, israelische Araber haben viele Privilegien und Vorteile unter Israel, die sie unter der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht haben würden. Da ist es nur logisch, dass diese Leute lieber in Israel bleiben wollen.

Würde die Errichtung eines palästinensischen Staates die Situation für die Araber vor Ort verbessern?

Ich weiß es nicht. Die Palästinenser haben einfach keine Agenda. Was würden sie für ihr Volk tun, gäbe es einen unabhängigen Staat? Seit die Palästinensische Autonomiebehörde hier 1995 Einzug gehalten hat, wurde nicht viel für die Menschen getan. Es gibt einfach keine klare Linie. 

Pastor Steven Khoury
 
Gibt es Hoffnung für diesen Konflikt?

Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht zur Zeit. Wer weiß, was in Zukunft sein wird. Was könnte Israel tun, um den palästinensischen Christen zu helfen? Es werden bereits mehr Arbeitserlaubnisse für Arbeit in Israel ausgegeben. Aber nicht jeder kommt an solch eine Erlaubnis heran. Ich wünschte, die Christen könnten einfach nach Israel kommen, ohne Erlaubnis. Als christlicher Leiter sehe ich nichts Schlimmes darin. Im allgemeinen haben die Christen Israel keinen Schaden zugefügt.

Was würden Sie Christen von außerhalb mit auf den Weg geben, die in diesem Konflikt Partei ergreifen?

Man kann nicht die Juden lieben und die Araber hassen. Und man kann nicht die Araber lieben und die Juden hassen. Jesus ist für alle gestorben, er liebt beide. Möge Gott Eure Augen und Herzen öffnen, damit Ihr seht, dass es palästinensische Araber gibt, die Jesus lieben und Israel lieben. Die Stellung beziehen und dafür einen Preis zahlen, dass sie das Wort Gottes in diesem Land verkünden. Bitte seid nicht auf einemAuge blind. Macht die Augen auf und seht die Not. Auf beiden Seiten.


Informationen zu Dr. Khoury und seinem Dienst unter www.fbcbethlehem.com

16.12.14

Lage der Christen in Gaza immer dramatischer


Konrad Adenauer Stiftung
 
Die Lage der Christen im Gazastreifen wird immer bedrohlicher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung (Berlin). Immer mehr radikale Islamisten drängten über den Sinai nach Gaza. Mittlerweile äußere sich jeder fünfte Bewohner (19 Prozent) positiv über die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). Gleichzeitig schrumpfe die christliche Gemeinde in dem Küstenstreifen. 

Lebten dort 1967, am Vorabend des Sechs-Tage-Kriegs, noch rund 10.000 Christen, seien es gegenwärtig nur noch etwas über 1.300; das entspricht 0,07 Prozent der 1,8 Millionen Einwohner. „Sollte die Emigration der Christen aus Gaza anhalten, wird die 1.700 Jahre alte christliche Gemeinschaft in Gaza bald Geschichte sein“, warnen die Autoren.

Sorge vor militantem Islamismus

Schon jetzt stammten alle katholischen, evangelischen und orthodoxen Geistlichen nicht mehr aus Gaza, sondern aus dem Ausland. Die größte Sorge der Verbliebenen ist laut Studie, dass eines Tages die radikal-islamische Hamas durch noch extremere islamische Gruppen abgelöst werden könnte: „Dann stünden die Christen in Gaza vor einem ähnlichen Szenario wie ihre Brüder und Schwestern im Irak und Syrien.“ 

Unter der israelischen und ägyptischen Blockade des Gebietes litten Muslime und Christen gleichermaßen. Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel im Sommer komme deswegen der Wiederaufbau nur langsam voran.

Junge Christen bei einem Schulfest in der katholischen Pfarrei in Gaza-Stadt

Ohne Perspektive

„Momentan sind wir sicher, aber wir haben keine Ahnung, was die Zukunft bringen wird“, wird der katholische Priester George Hernandez in dem Bericht zitiert. Vor allem Jugendliche hätten aufgehört, an eine bessere Zukunft zu glauben: „Ich habe einmal einen Jungen gefragt: ‚Von was träumst du?’ Er antwortete mir: ‚Nichts, ich werde ohnehin immer nur daheim rumsitzen wie mein Vater’.“ 

Die Christliche Gemeinde in Gaza reicht bis ins 3. Jahrhundert zurück. Im 5. Jahrhundert war Gaza ein wichtiges christliches Zentrum und nach Jerusalem die größte Ansammlung klösterlichen Lebens in Palästina. Heute sind 89 Prozent der verbliebenen Christen griechisch-orthodox, neun Prozent gehören der katholischen Kirche an. Der Rest verteilt sich auf kleinere, überwiegend evangelische Glaubensgemeinschaften.

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