von Daniel Pipes
Können Araber, die ein Fünftel der Bevölkerung stellen, loyale Bürger des jüdischen Staates sein?
Mit dieser Frage im Hinterkopf besuchte ich vor kurzem einige von Arabern bewohnte Regionen Israels (Jaffa, Baqa al-Gharbiya, Umm el-Fachm, Haifa, Akko, Nazareth, die Golanhöhen, Jerusalem) und diskutierte mit Mainstream-Arabern und jüdischen Israelis.
Ich stellte fest, dass die meisten Arabisch sprechenden Bürger hin- und
hergerissen sind, weil sie in einer jüdischen Staatsorganisation leben.
Einerseits grollen sie dem Judentum als der im Land privilegierten Religion mit
dem Rückkehrgesetz, das nur Juden erlaubt nach Belieben einzuwandern, Hebräisch
als erster Sprache des Landes, dem Davidstern in der Flagge und der Erwähnung
der "jüdischen Seele" in der Nationalhymne. Andererseits schätzen sie den
wirtschaftlichen Erfolg des Landes, den Standard im Gesundheitswesen, die
Rechtsstaatlichkeit und die funktionierende Demokratie.
Diese Konflikte drücken sich auf viele Weisen aus.
Die zahlenmäßig kleine, ungebildete und besiegte israelisch-arabische
Bevölkerung von 1949 hat sich um das Zehnfache vermehrt, erwarb moderne
Fähigkeiten und gewann ihr Selbstvertrauen wieder. Einige aus dieser
Gemeinschaft haben prestigeträchtige und verantwortungsvolle Positionen erlangt,
darunter Salim Joubran als Richter am Obersten Gerichtshof, der ehemalige
Botschafter Ali Yahya, der ehemalige Minister Raleb Majadele und der Journalist
Khaled Abu Toameh.
Doch diese Assimilierten verblassen neben den
unzufriedenen Massen, die sich mit dem Land-Tag, dem Nakba-Tag und dem Bericht
Future
Vision solidarisch erklären. Bezeichnenderweise sind die meisten
israelisch-arabischen Parlamentarier wie Ahmed Tibi und Hanin Zuabi
Hitzköpfe, die widerlichen Antizionismus geifern. Israelische Araber
haben gegen ihre jüdischen Mitbürger zunehmend auf Gewalt zurückgegriffen.
Eigentlich leben israelische Araber zwei Paradoxe.
Obwohl sie innerhalb Israels Diskriminierung erfahren, erfreuen sie sich mehr
Rechten und größerer Stabilität als irgendeine andere arabische Bevölkerung, die
in ihren eigenen, souveränen Ländern leben (man denke an Ägypten oder Syrien).
Zweitens besitzen sie die Staatsbürgerschaft eines Landes, das von ihren
arabischen Geschwistern verleumdet und mit Auslöschung bedroht wird.
Meine Gespräche in Israel führten mich zu dem
Schluss, dass die Komplexitäten eine robuste Diskussion der vollen Auswirkungen
der anormalen Existenz der israelischen Araber verhindern, sowohl von jüdischer
als auch von arabischer Seite. Extremistische Parlamentarier und gewalttätige
Jugendliche werden als nicht repräsentativer Rand abgetan. Stattdessen hört man,
wenn israelische Araber nur mehr Respekt und mehr kommunale Hilfen von der
Zentralregierung erhalten würden, dass die derzeitigen Unzufriedenheiten
geringer würden; dass man unterscheiden muss zwischen (den guten) Arabern
Israels und (den schlechten) Arabern der Westbank und des Gazastreifens; und
eine Warnung, dass die israelischen Araber in Palästinenser metastasieren
werden, wenn Israel sie nicht besser behandelt.
Meine Gesprächspartner fegten allgemein die Fragen
zum Islam beiseite. Es war gefühlt fast unhöflich den muslimischen Imperativ zu
erwähnen, nach dem Muslime (die 84 Prozent der israelisch-arabischen Bevölkerung
ausmachen) über sich selbst herrschen müssen. Den islamischen Drang nach
Anwendung des islamischen Gesetzes diskutieren zu wollen, verursachte leere
Blicke und einen Wechsel auf akutere Themen.
Diese Vermeidung erinnerte mich an die Türkei vor
2002, als die Türken des Mainstreams annahmen, dass Atatürks Revolution
permanent sei und dass die Islamisten ein Phänomen am Rande bleiben würden. Sie
lagen mächtig falsch: Ein Jahrzehnt, nachdem die Islamisten Ende 2002
demokratisch an die Macht ritten, wandte die gewählte Regierung stetig mehr
islamisches Recht an und baute eine neuottomanische Regionalmacht auf.
Ich sage eine ähnliche Entwicklung in Israel
voraus, da die israelisch-arabischen Paradoxe sich zuspitzen. Muslimische Bürger
Israels werden weiter an Zahl, Fähigkeiten und Selbstvertrauen zunehmen, wobei
sie gleichzeitig für das Leben des Landes wichtiger werden und mehr Ambitionen
haben die jüdische Souveränität abzuwerfen. Das legt nahe, dass sich die
israelischen Araber, während Israel die externen Bedrohungen überwindet, zu
einem immer größeren Grund der Besorgnis entwickeln. Ich sage in der Tat voraus,
dass sie dass ultimative Hindernis für die Errichtung des von Theodor Herzl und Lord
Balfour erhofften jüdischen Heimatlandes darstellen.
Was kann man tun? Die libanesischen verloren die Macht, weil sie zu viele Muslime aufnahmen und ein zu
kleiner Teil der Bevölkerung des Landes wurden, um darin zu herrschen. In
Erinnerung an diese Lektion verlangen Israels Identität und Sicherheit, dass die
Zahl der arabischen Staatsbürger minimiert wird – nicht durch Reduzierung ihrer
demokratischen Rechte, noch weniger durch ihre Deportation, sondern durch
Schritte wie die Anpassung der Grenzen Israels
, den Bau von Zäunen entlang der Grenzen, Umsetzung
strikter Familien-vereinigungs-Politik, Änderung der pro-natalistischen Politik und sorgfältige Überprüfung von Flüchtlingsanträgen.
Ironischerweise wird das größte Hemmnis für dieses
Handeln darin bestehen, dass die meisten israelischen Araber nachdrücklich
wünschen illoyale Bürger des jüdischen Staates zu bleiben (statt loyale Bürger
eines Palästinenserstaats zu werden). Weiterhin streben viele Muslime des Nahen
Ostens danach Israelis zu werden (ein Phänomen, das ich "muslimische Aliyah" nenne). Diese Einstellungen, sage ich voraus, werden der Regierung
Israels den Wind aus den Segeln nehmen, so dass diese keine angemessenen
Antworten entwickeln wird, womit sie aus der heutigen relativen Ruhe die Krise
von morgen macht.
Daniel Pipes (
www.DanielPipes.org) ist Direktor des
Middle East Forum und forscht an der Hoover Institution der Universität
Standford. © 2012 by Daniel Pipes. Alle Rechte vorbehalten.
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